„Es geht bergauf!“
Das Modell der Zeitzer Drahtseilbahn
Daten zum Glanzstück des Monats Mai
Modell der Zeitzer Drahtseileisenbahn
Zeitstellung: 1977
Material/Technik: Holz, Pappe, Papier, Metall, Plastik
Maße: L 250 cm, B 90 cm, H 47 cm; Maßstab 1: 120
Inv.Nr.: V/H – 4831
Über dieses Glanzstück
Die original Zeitzer Drahtseileisenbahn, liebevoll im Volksmund auch als das achte Weltwunder bezeichnet, eröffnete am 5. August 1877 am Wendischen Berg nach nur fünfmonatiger Bauzeit ihre Pforten. Die Planung und Durchführung dieses eindrucksvollen Projekts lagen in den Händen des Baumeisters Eduard Tretrop, der auch die Initialidee dazu hatte.
Leider musste der Betrieb der Bahn am 13. Dezember 1959 eingestellt werden, gefolgt von der Demontage im darauffolgenden Jahr.
1974 wurde eine Zusammenarbeit zwischen dem Haus der Jungen Pioniere in Zeitz, dem Museum Schloss Moritzburg Zeitz und Hans Hilbig, dem Leiter der Arbeitsgemeinschaft Junge Modellbauer, vereinbart. Unter Hilbigs Anleitung sollte eine Dokumentation über die Zeitzer Drahtseilbahn erstellt und ein Funktionsmodell gebaut werden. Diese Aufgabe wurde der Mädchengruppe der „Jungen Modelleisenbahner“ übertragen, in der jedoch auch ein Junge vertreten war: Uwe Tretrop, der Ur-Urenkel des Initiators und Erbauers der Zeitzer Drahtseilbahn, Eduard Tretrop. Pünktlich zum hundertjährigen Jubiläum waren Modell und Broschüre fertiggestellt. Die Broschüre mit dem Titel „Die Zeitzer Drahtseileisenbahn 1877 – 1959“ wurde vom Pionierhaus herausgegeben, wobei der Journalist Jochen Böhme behilflich war.
Ein Blick auf Zeitz gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Essen rauchen, die Industrialisierung schreitet voran. Die Hauptverbindung zwischen Ober- und Unterstadt, der Wendische Berg, ist mit Lasten nicht leicht zu bewältigen. Die Zeitzer Drahtseileisenbahn schafft von 1877 bis 1959 Abhilfe.
Der Holzstich wurde aus der Leipziger ILLUSTRIERTEN ZEITUNG (Nummer 1836 vom 7.09.1878) herausgeschnitten. Auf der Rückseite befindet sich noch ein Fragment des Artikels zur Zeitzer Drahtseileisenbahn. In drei Spalten wurde ausführlich über das „achte Weltwunder“ berichtet.
Was ist eine Standseilbahn?
Eine Standseilbahn ist eine Variante der Seilbahnen, die auf festen Schienen oder anderen Führungsvorrichtungen fährt und durch ein oder mehrere Seile angetrieben wird. Sie ermöglicht es, bedeutende Höhenunterschiede auf kurzen Strecken zu überwinden. Typischerweise verkehren auf Bergstrecken zwei Wagen oder Wagengruppen, die durch ein Drahtseil verbunden sind und über eine Seilscheibe an der Bergstation laufen. Durch dieses System halten sich die Wagen oder Wagengruppen annähernd im Gleichgewicht, wodurch nur geringe Antriebskräfte benötigt werden. Früher wurde oft Wasserballast als Antrieb verwendet (Wasserballastbahn), heutzutage erfolgt der Antrieb in der Regel durch einen Elektromotor, der auf die Seilscheibe in der Bergstation wirkt. Auf den meisten Strecken treffen sich der bergwärts und der talwärts fahrende Wagen in der Mitte, wo eine Ausweichstelle angelegt ist. Alternativ sind kürzere Strecken häufig zweigleisig ausgeführt.
Ältere, teilweise synonyme Bezeichnungen für Standseilbahn sind Seileisenbahn, Drahtseilbahn, Schienenseilbahn und Seilstandbahn.
Seit wann gibt es Standseilbahnen?
Im Jahr 1411 wurde erstmals in einem militärischen Feuerwerksbuch die Konzeption einer Standseilbahn skizziert. Diese frühen Modelle dienten hauptsächlich dazu, Material und Personen zu festungsähnlichen Strukturen auf steilen Berggipfeln zu befördern. Als die wohl älteste erhaltene Standseilbahn der Welt gilt der Reißzug, der um 1495 zur Festung Hohensalzburg gebaut wurde. Spätere Standseilbahnen entstanden vermehrt als Schiffshebewerke im frühen 19. Jahrhundert während des Kanalbaus in Amerika.
Die älteste Standseilbahn, die speziell für den Personentransport errichtet wurde, ist die Wasserballastbahn Prospect Park Incline Railway, die 1845 bei den Niagarafällen in den Vereinigten Staaten eröffnet wurde. In Europa wurde 1862 die erste Standseilbahn in Lyon auf der Strecke Rue Terme–Croix Rousse in Betrieb genommen, die jedoch 1967 außer Dienst gestellt und durch eine Straße ersetzt wurde. Die älteste noch in Betrieb befindliche Standseilbahn Europas, die auf ihrem ursprünglichen Gleis und Trasse verkehrt, ist die Budavári Sikló in Budapest, die seit 1870 in Betrieb ist. Die älteste unterirdische Standseilbahn und die erste U-Bahn außerhalb Londons ist der Tünel (dt. Tunnel) in Istanbul, der 1875 eröffnet wurde.
In Deutschland wurden von 1845 bis 1879 auf der Altonaer Hafenbahn Güterwagen auf Rollböcken über eine 210 Meter lange Steigung von 15 Prozent vom Hafenkai zum höher gelegenen Bahnhof transportiert. Anfangs wurde der Zug von einem Pferdegöpel angetrieben, ab 1849 dann durch eine Dampfmaschine. Im Jahr 1879 wurde diese Standseilbahn durch eine 400 Meter lange Tunnelstrecke der Altona-Kieler Eisenbahn ersetzt.
In Zeitz gab es ab 1877 eine Standseilbahn, die von der Unterstadt in die Oberstadt führte und Personen sowie Fuhrwerke auf einem steilen Straßenabschnitt beförderte. Der Antrieb erfolgte über eine stationäre Dampfmaschine in der Bergstation. Der Betrieb wurde 1959 wegen mangelnder Zuverlässigkeit der Sicherheitseinrichtungen eingestellt. Auch die 1887 eröffnete Malbergbahn wurde stillgelegt, sodass die Turmbergbahn bei Karlsruhe-Durlach, die am 1. Mai 1888 eröffnet wurde, die älteste noch betriebene Standseilbahn ist.
Das Original – Die Zeitzer Stand-Drahtseilbahn
Die Geschichte der original Zeitzer Drahtseilbahn reicht bis ins Jahr 1870 zurück. Zu dieser Zeit entschied der Domänenfiskus, kein Land mehr im Tal für neue Fabriken freizugeben, was zur Entstehung der Oberstadt von Zeitz führte. Obwohl eine Straße zwischen der Stadt und dem Wendischen Berg ausgebaut worden war, kam es häufig vor, dass Pferde des Vorspanns auf der Steigung stürzten. Johann Tretrop, Besitzer eines eigenen Baugeschäfts und Bahnmeister der Thüringischen Eisenbahngesellschaft, hatte die visionäre Idee, die beiden Stadtteile durch eine Seilbahn miteinander zu verbinden. Am 31. Januar 1877 wurde ein Vertrag mit dem Stadtrat über den Bau einer „Drahtseil-Eisenbahn“ unterzeichnet. Nach Zustimmung der örtlichen Polizeiverwaltung wurde am 3. März 1877 die Baugenehmigung erteilt. Tretrop selbst übernahm die gesamte Konstruktion und Bauleitung, wobei sämtliche Lieferungen und Leistungen gemäß Vertrag von ansässigen Unternehmen erbracht wurden und der Bau durch örtliche Arbeitskräfte erfolgte. Bereits am 28. Juli 1877 fand die erste Probefahrt statt, und am 4. August wurde die Bahn offiziell von den Behörden abgenommen, woraufhin am folgenden Tag der offizielle Betrieb aufgenommen wurde.
Die Baukosten betrugen damals 3000 Mark für eine Strecke von 305 Metern Länge und einem Höhenunterschied von 33 Metern. Die Spurweite belief sich auf 1,435 Meter.
Diese Standseilbahn mit Dampfantrieb versorgte am Wendischen Berg in Zeitz die Metallwarenfabrik Bescherer. Diese innovative Drahtseilbahn beförderte Fuhrwerke und Passagiere mit zwei gegenläufigen Wagen den steilen Berg hinauf (in die Oberstadt) oder hinunter (in die Unterstadt) mit einer Steigung von 9,6 %. Sie galt seinerzeit als eine bemerkenswerte Errungenschaft in Deutschland.
Die Bahn bewältigte die Strecke am sogenannten Schinderberg, von der „Sonne“ bis zum „Wenden“, in lediglich drei Minuten, mit einer Geschwindigkeit von 1,7 Metern pro Sekunde. Ihre Kraft erhielt sie von einer dampfbetriebenen Zwillingsfördermaschine mit Doppelkessel, die eine Leistung von 22 PS erbrachte. Das Seil, das aus 42 Einzeldrähten bestand, erstreckte sich über eine Gesamtlänge von 354 Metern.
Der Holzschnitt gehört zu dem Mappenwerk „Straßen und Brücken“ von Johannes Lebek mit insgesamt 6 Holzschnitten und einer Vignette (Blick auf Zeitz). Ein steiler Berg, der hoch in die Stadt führt. Mühsam für Fußgänger, Radfahrer und Fuhrwerke. Auf dem Holzschnitt ist die Drahtseilbahn zu sehen, die von 1877 bis 1959 auch Pferdewagen den beschwerlichen Anstieg abnahm.
Die Talstation am Gasthaus „Zur Sonne“ wurde so gestaltet, dass das Seilbahngleis unter das Straßenniveau absank, was es Fuhrwerken ermöglichte, direkt auf die Seilbahnwagen zu fahren. Dadurch waren die Seilbahnwagen anders als bei anderen Anlagen; sie waren komplett offen und hatten lediglich seitliche Geländer mit klappbaren Sitzplätzen für die Passagiere. Die Stirnseite des Wagens wurde durch eine Kette gesichert. Eine besondere Eigenschaft der Anlage war das Vierschienengleis in der Mitte der Strecke, da die Abtsche Weiche zu dieser Zeit noch nicht erfunden worden war. Sowohl die Talstation als auch die Bergstation verfügten über Kopframpen. Die Anlage war mit drei Bremssystemen ausgestattet: einer Automatikbremse im Falle eines Seilrisses (die den Zahnkranz des oberen Radsatzes blockierte), einer Handbremse für den unteren Radsatz und einer Hemmstütze, um ein unbeabsichtigtes Zurückrollen zu verhindern. Letztere funktionierte jedoch nur, wenn der Wagen stand. Trotz dieser Vorkehrungen kam es jedoch zu einer Reihe von Unfällen.
Es gab mehrere Pläne, die Bahn zu modernisieren, jedoch wurden alle zunichte gemacht. Im Jahr 1954 übernahm der Rat der Stadt Zeitz die Bahn von der Familie Bescherer, erneuerte die Gleise und kaufte zwei neue Seilbahnwagen. Dennoch waren die Sicherheitseinrichtungen weiterhin unzureichend.
Fuhrwerke wurden zunehmend seltener, da Transportaufgaben effizienter und komfortabler von Lastwagen und Bussen übernommen wurden. Dies führte letztendlich zur Stilllegung der Bahn, und die Gleise wurden vom VEB ZEMAG für eine interne Krananlage übernommen. Bereits im Jahr 1960 wurde die gesamte Anlage demontiert.
Bis heute sind jedoch das Talhaus, das Maschinenhaus und das Kesselhaus, mit einem Teil des Schriftzuges „Zeitzer Drahtseileisenbahn“, noch erhalten geblieben.
Die Drahtseilbahn wurde in zahlreichen Postkartenmotiven verewigt und fand auch Eingang in das Mappenwerk „Straßen und Brücken“ von Johannes Lebek im Jahr 1932.
Text: Silke Frömter
Fotos/Reproduktionen: © MSMZ
Ein Ausblick in die Zukunft – der Verein „Historische Drahtseilbahn Zeitz e. V.“
Nachdem im Jahr 1960 der Betrieb der Zeitzer Drahtseilbahn eingestellt wurde – Lastwagen und PKWs, einschließlich Omnibusse, hatten sie überflüssig gemacht – verschwand ein bemerkenswertes Beispiel deutscher Ingenieurskunst und eines der Wahrzeichen der industriellen Revolution aus der Stadt an der Elster.
Die Gebäude des Maschinenhauses oben am Hang und des Talhauses sind zwar noch vorhanden, jedoch verfallen sie zusehends. Die Strecke der Bahn existiert noch, ist aber kaum noch zu erkennen.
Zeitz kann auf eine Geschichte von über 1000 Jahren zurückblicken. Der Verein „Historische Drahtseilbahn Zeitz e. V.“ wurde von Menschen gegründet, die glauben, dass diese Episode der Geschichte – die nur etwas über achtzig Jahre dauerte – ihren Platz verdient!
Ihre Großeltern erzählten ihnen von dem „achten Weltwunder“ – denn diese Bahn fuhr vom „Wenden“ (Gasthaus an der Bergstation) bis zur „Sonne“ (Hotel an der Talstation). Inzwischen gibt es sehr wenige Zeitzeugen, aber jede Menge Verfall entlang dieser Trasse.
Sie setzen sich dafür ein, den Wiederaufbau der Bahn anzustoßen, der jedoch noch in den Anfängen steckt. Doch erste Grundsteine für das Fundament ihrer Arbeit sind bereits gelegt!
Dieser Schritt erscheint auch im Rahmen des touristischen Gesamtkonzepts der Stadt Zeitz durchaus sinnvoll.