Mit Schild und Schwert
Petschaft des Zeitzer Stadtwappens
Daten zum Glanzstück des Monats März
Petschaft der Stadt Zeitz
Zeitstellung: ca. 2. Hälfte 19. Jahrhundert
Material: Kupfer auf Blei (?)
Durchmesser: 5,30 cm
Ersterfassung: 02.01.1961
Inv. Nr.: V/G-13
Über dieses Glanzstück
Bei dem Anblick des Zeitzer Wappens ist wohl nur wenigen bewusst, welch lange Geschichte und Bedeutung der Erzengel Michael für die Stadt Zeitz besitzt. Im Verlauf von über 900 Jahren wurde der Fürst der Engel, der Übermittler von Gebeten und guten Taten, der Seelenbegleiter, der Drachentöter und Schutzpatron gegen das Böse und die Feinde des Christentums, vom Beschützer der nach ihm benannten Kirche, zum Schutzherren von Zeitz. Der Erzengel Michael war in Zeitz seit jeher ein wichtiges Symbol, so dass man ihn in unterschiedlichster Gestalt und entsprechend dem jeweiligen Zeitgeschmack, in der Stadt – wie an der Michaeliskirche oder auch im Rathaus – findet, wie auch auf dem vorliegenden Petschaft.
Doch was sind Petschaften eigentlich?
Petschaften sind kleine, aus einem harten Material – meistens Blei oder Eisen, gefertigte Stempel. Der Stempel selbst setzt sich aus einem Holzgriff und einer Stempelfläche zusammen. In die Stempelfläche ist spiegelverkehrt ein beliebiges Motiv, wie ein Wappen oder ein Name eingraviert. Diese wird in eine weiche, erhärtende Masse, meistens Wachs oder Siegellack, eingetaucht und dann auf den jeweiligen Untergrund gedrückt. Der Unterschied zwischen einem Siegelstempel und eines Petschaft besteht darin, dass Siegelstempel zum Verschließen von privaten Dokumenten genutzt werden. Petschaften hingegen, sind nicht für den privaten Gebrauch gedacht, weshalb sie daher häufig für Kooperationen und Beurkundungen von Ämtern oder wie in diesem Fall, als Wappen einer Stadt genutzt werden. Grundlegend gehören Petschaften jedoch zu der Kategorie „Siegel“.
Das vorliegende Petschaft ist durch eine einfache, kreisrunde Form gekennzeichnet. Bei dem Material handelt es sich wahrscheinlich um Blei, welches zusätzlich mit einer dünnen Schicht aus Kupfer versehen wurde. Dadurch wurde der Siegelstempel insgesamt günstiger und leichter in der Herstellung, da Materialien wie Blei im Vergleich zu Kupfer, wesentlich preiswerter in der Anschaffung waren. Auffällig ist jedoch, dass der Schaft des Petschafts fehlt und es sich somit lediglich um eine Stempelfläche handelt. In die Stempelfläche eingraviert ist in einer Kassette das Zeitzer Stadtwappen. Um das Wappen herum steht als Schriftzug geschrieben: SIEGEL DER STADT ZEITZ.
Das Petschaft zeigt den Erzengel Michael entgegen der bisherigen Darstellung nicht mehr in einer Art Engelsgewand, sondern in einer leichten Rüstung ohne Helm. Stehend schwingt er, über dem auf dem Rücken liegenden Drachen, sein Schwert. Warum es zur Verfremdung des ursprünglichen Siegelbildes kam, indem der Erzengel nun gerüstet gezeigt wird, ist unklar. Auch die Vereinfachung der Bewaffnung des Erzengels mit einem einfachen Schwert, statt seines biblischen „Flammenschwert“ ist ungewiss.
Der Hersteller und Graveur des Petschafts ist kein geringerer als der Zeitzer Carl Friedrich Hermann Held (1836-1914) – der „Königliche Hof-Graveur“ des preußischen Kaisers Wilhelm I.. Hermann Held wurde am 5. April 1836, als Sohn eines Schneidermeisters in Zeitz geboren. Dort verbrachte er seine Kindheit und Jugend, sowie seine frühen Ausbildungsjahre zum Messerschmied. Den Titel „Königlicher Hof-Graveur“ erlangte Hermann Held als Dank des Kaisers Wilhelm I., da er ihm als Geschenk zum 80. Geburtstag, das kaiserliche Reichsiegel vermachte. Beruflich war Hermann Held weit aufgestellt: So fertigte er neben Münzen, Medaillen, Siegeln und Petschaften, auch eine Vielzahl anderer Produkte, wie bspw. Anstecker, Galvanos, Orden oder Marken. Held übergab im Jahr 1910 seinen Nachlass an das städtische Museum. Darunter befand sich u.a. auch das Petschaft mit dem dazugehörigen Abdruck der Stadt Zeitz. Im Museum wurde es als ein Kernstück der „Held’schen Sammlung“ aufgenommen und zeitweise auch präsentiert.
Doch wer war der Erzengel Michael und wie kam er auf das Zeitzer Wappen?
Das älteste uns bekannte Stadtsiegel von Zeitz aus dem Jahre 1395 zeigt die Apostel Petrus und Paulus – die Schutzpatronen des Dom- und Stiftkapitels Naumburg und Zeitz. Ein im Jahr 1476 verwendetes Stadtsiegel zeigt zum ersten Mal den Erzengel Michael, wie er noch heute im Stadtwappen von Zeitz zu finden ist – als „Drachentöter“ (Off 12, 1-16). Beide Siegel wurden lange Zeit nebeneinander und abwechselnd verwendet. Nachfolgend entwickelte sich eine Kombination der Siegel, in welcher der den Drachen besiegende Erzengel Michael um eine Variante des Stiftswappens ergänzt wurde und selbst einen Wappenschild mit einem Kreuz in seiner linken hält. Diese Form ist auf einem 1549 verwendeten Siegel erstmals greifbar.
Der Erzengel Michael hat – im Gegensatz zu Petrus und Paulus – einen „überirdischen“ Status. Er gehört als himmlisches Wesen zum Bereich der Engel. Im Alten Testament wird Michael „einer der oberen Engelfürsten“ u.ä. genannt (Bibelstellen AT: Dtn 32; Dan 10,13.21; 12,1; Jos 5,14, Hiob 1,6.2,1). Die Bezeichnung Michaels als Erzengel findet sich dann konkret im Neuen Testament wieder (Bibelstellen AT: Dtn 32; Dan 10,13.21; 12,1; Jos 5,14, Hiob 1,6.2,1). Neben Raphael, Gabriel und Uriel ist er der bedeutendste unter ihnen. Er vermittelt und trägt Gebete, Gelübde und gute Werke von der Erde zum Himmel, steht den Sterbenden bei, geleitet ihre Seelen zum ewigen Heil, nachdem er sie „gewogen“ und nach ihren Taten beurteilt hat, und ist Vorsteher des Paradieses. Am bekanntesten ist die Darstellung des Erzengels Michael – neben der als Vorsteher des Paradieses mit Waage – die, wie er mit Speer oder Schwert den Drachen tötet.
Seit dem 14. Jahrhundert verdrängte der Erzengel Michael die bis dahin unangefochtenen Apostel Petrus und Paulus. Zunächst wurden Petrus und Paulus und der Erzengel Michael in den Siegeln und Petschaften noch abwechselnd benutzt, aber Michael gewann schließlich im 16. Jahrhundert für die Stadt Zeitz die Oberhand. Bei dem Erzengel Michael handelt es sich um den Schutzpatron der Stadt Zeitz und deren Stadtkirche. Der Grund dafür ist, dass eine Flagge des Erzengels Michael während der siegreichen Schlacht am Lechfeld im Jahr 955 von den Truppen Otto I. vorweg getragen wurde, woraufhin nachfolgend der Erzengel Michael zum Schutzpatron des Ostfrankenreichs und später Deutschlands erklärt wurde. Zehn Jahre später gründete Otto I. im Jahr 965 die Mark Zeitz und 967 das Bistum Zeitz. Im Kontext dieser Schlacht, ist die Ernennung des Erzengel Michaels zum Schutzpatron der Stadt sicherlich kein Zufall gewesen.
Amtliche Schreiben zeigen ihn über die Jahrhunderte hinweg in verschiedenen Darstellungen. Zudem wurde das Stadtwappen nicht nur zur Kennzeichnung der Stadt selbst verwendet, sondern auch um städtischen Besitz zu kennzeichnen. Seit dem 18. Jahrhundert wandelt sich dann der Schutzengel der Stadt auf den Petschaften und Siegeln von einem Engel in einen schwer gerüsteten Ritter um. Die derzeitige offizielle Blasonierung des Zeitzer Stadtwappens findet man in der Hauptsatzung der Stadt Zeitz.
Literatur:
Thomas Uhlmann und Klaus Werner: Hermann Held. Medailleur aus Magdeburg – Ein Œuvrekatalog, 161 Seiten, farbige Abbildungen, Klebebindebroschur, Format 21 x 29,5 cm, Magdeburg 2022.
Rudolf Drößler: Zeitz – Geschichte der Stadt im Rahmen überregionaler Ereignisse und Entwicklungen, Band II, Die Zeit der Bischöfe, Zeitz 2009, Seiten 289-302.
Louis Rothe: Aus der Geschichte der Stadt Zeitz. Curltur-historische Skizzen nach urkundlichen Quellen bearbeitet, Zeitz 1876, S.43.
Donata Dörfel: Michael, das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, Mai 2010. http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/27133/
Andreas Janek: Wunderbare Wappenwelt. Deutschland und Sachsen-Anhalt. Kapitel 16. Wappen Burgenlandkreis, Norderstedt 2020, S. 549-556.
Text: Nadine Neumann und Silke Jentzsch
Fotos: Nadine Neumann / © MSMZ