„Von Gott geleitet“
Paolo Sarpi: Außführliche Histori und Beschreibung deß Concilij zu Trient […]
Daten zum Glanzstück des Monats Februar
Paolo Sarpi: Außführliche Histori und Beschreibung deß Concilij zu Trient. Darinn alle Räncke un[d]Practicken entdeckt werden, mit welchen der Bapst und der Römische Hoff den Keyser und die Stände des Reichs wegen deß begerten Concilij eine lange Zeit geäffet. […]
Acht Bücher, zusammengefasst, gebunden – Titelkupfer beschädigt, Handschriften-Pergament als Einband (mittelalterliche Minuskeln)
Papier, Pergament, Pappe / Buchdruck
Frankfurt am Main, 1620
8° (Oktav) // L 21cm x B 16,5 cm x Buchrücken 6,5 cm
Inv.Nr. IX – 4084
Provenienz: Altbestand/ unbekannt
Ersterfassung: 26. Februar 1987
Über dieses Glanzstück
Das Konzil und sein Buch
Am 13. Dezember 1545 begann das Konzil von Trient. In den folgenden 18 Jahren tagten in drei Tagungsperioden u.a. Päpste, Kardinäle, Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe, Ordensgeneräle, Äbte und Prokuratoren über ein Thema: Wie sollte man auf die Forderungen und Lehren der Reformation von 1517 angemessen reagieren? In insgesamt 25 Sitzungen in Trient und Bologna kamen die Konzilsteilnehmer auf 17 Beschlüsse, die mehrheitlich dogmatischer als von praktischer Natur waren. Eine der ersten Kritiken am Konzil und dessen Ergebnissen verfasste, knapp 50 Jahre später der aus dem Orden der Serviten stammende Theologe und Historiker Paolo Sarpi (1552-1623) aus Venedig. Unter dem Pseudonym Pietro Soave Polano veröffentlichte er 1619 in London sein Werk zur Geschichte des Trienter Konzils. Bereits 1620 wurde das Buch in deutscher Sprache von Gottfried Tambach in Frankfurt am Main gedruckt und veröffentlicht, 1621 folgten die Übersetzung ins Französische und der Druck in Frankreich. Die Ernst-Ortlepp-Bibliothek der Zeitzer Moritzburg ist im Besitz einer der deutschen Erstausgaben von 1620 im Format Oktav. Auf 1032 Seiten ist die Geschichte eines umstrittenen Konzils kritisch nachzulesen, das als Ausgangspunkt für die Konfessionalisierung Europas und für den Machtausbau der päpstlichen Kurie steht.
Libri habent fatum
Momentan wird die Erstausgabe nicht im Rahmen einer Ausstellung gezeigt, sondern kann von Lesern im Lesesaal der Museumsbibliothek eingesehen werden. Grund dafür ist der konservatorische Zustand der historischen Publikation. Besonders der Buchumschlag ist restaurierungsbedürftig. Denn das Glanzstück ist stark von Wurmfraß befallen, ebenso die ersten und letzten Seiten des Buches (Titelkupfer/Vorwort/Register). Große, aber zum Glück nur wenige, Wasserflecken befinden sich ebenfalls im hinteren Teil des Bandes. Ein leichter Verschleiß der Ecken ist zu erkennen. Zum größten Teil ist das Buch aber in einem sehr guten Zustand, der Inhalt ist auf dem sauberen und hellen Papier sehr gut lesbar. Für den Buchdeckel wurde, vermutlich im 18. oder 19. Jahrhundert, ein unbekanntes Handschriften-Pergament mit mittelalterlichen Minuskeln verwendet. Daher ist auch nicht sofort sichtbar, um was für ein wertvolles Kleinod für Historiker es sich handelt. Klarer wird das erst, wenn man sich mit dem Titelkupfer und der Vorrede befasst.
Wirkung des Buches
Gewidmet ist das Werk dem ersten Monarchen von Großbritannien, James I. bzw. VI. von England und Schottland (1566-1625). Der einzige Sohn der katholischen Königin Maria Stuart und Mündel der englischen und protestantischen Königin Elizabeth I., regierte nach deren Tod über Großbritannien, also Schottland, England und Irland. Er war zudem das Haupt der Anglikanischen Kirche und hielt am protestantischen Glauben fest. England bot zudem vielen Papst- und Kuriengegnern Zuflucht zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Die Vorrede zum Buch stammt vom ehemaligen Erzbischof von Split, Markantun de Dominis (1560-1624). Der gut ausgebildete Jesuit war u.a. als Mathematiker und Philosoph tätig und schätzte Sarpi als Kollege. Er legte nicht nur sein Bischofsamt nieder, sondern verfasste gegen den Vatikan Protestpredigten. Nach de Dominis Bruch mit der katholischen Kirche unterrichtete er Studenten an den Universitäten von Oxford und Cambridge. Er bemerkt in seiner Vorrede, dass das Ziel, eine Einigung mit den Protestanten zu erreichen, durch das Konzil von Trient verfehlt bzw. nie angestrebt worden war. Er legt dem König von England das Werk von Paolo Sarpi ans Herz, denn der habe mit seiner ausführlichen Quellenarbeit die tatsächlichen Absichten und Hintergründe des Konzils gegenüber der Protestantischen Bewegung darlegen können.
Der Autor und seine Absicht
Paolo Sarpi war selbst nicht anwesend beim Konzil. Er beschäftigte sich mit Originaldokumenten des Konzils und betrachtete unterschiedliche Quellen aus dem Vatikan sowie Aufzeichnungen der Teilnehmer, z.B. die der Venezianer. Dabei ging er nicht allein vom theologischen, sondern vom historischen Standpunkt aus. Sein Hauptwerk stellt sich den grundsätzlichen wissenschaftlichen Fragen zum Konzil; er versucht sie sehr akribisch zu beantworten und setzt sie zugleich in einen größeren geschichtlichen Kontext. Konzil und versucht diese teilweise sehr akribisch zu beantworten und setzt sie zeitgleich in einen größeren geschichtlichen Kontext. Zudem erfährt der Leser, welch großes Allgemeinwissen der Autor über europäische Geschichte hatte. In seinen Überlegungen verweist er auf den Einfluss der Bankier-Familie Medici auf Florenz, Rom und Frankreich und somit, welche Konsequenzen die Politik der Florentiner auf die Wirtschaft und Zukunft der italienischen Stadtstaaten und des Papsttums hatte. Nicht weniger intensiv spricht er u.a. die Aufgaben der Augustinermönche in Sachsen an und welche Bedeutung ihnen bei der Ein- und Weiterführung des Ablasshandels im deutschsprachigen Raum zukam und warum es zu einer solchen konfessionellen „Katastrophe“ durch Luthers Aufstellung der 95 Thesen kommen musste. Gekonnt fügt er die Zusammenhänge in das große Puzzle der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kirchengeschichte Europas ein.
Was sollte das Konzil erreichen?
Die Historie des Konzils von Trient beginnt, laut Sarpi, nicht erst am ersten Versammlungstag 1545, sondern bereits mit der Intensivierung des Ablasshandels, der Vergabe des Papstamtes u.a. an die Medicis und dem durch Martin Luther ausgelösten Prozess der Reformation 1517 und der Unfähigkeit des Vatikans, schnell und angemessen darauf zu reagieren. Er legt bereits am Anfang seines Werkes dar, dass eine ernstzunehmende Aussöhnung mit den Protestanten überhaupt kein Ziel mehr war, sondern dass die Kurie mittels des Konzils mit neuen Beschlüssen ihre Autorität über die meisten südeuropäischen Länder, Städte, Könige und Kirchgemeinden erweitern und in ein engeres Abhängigkeitsverhältnis zu Rom zu stellen wollte als vorher. Mittel wie Diplomatie oder Ökumene sollten nie als Werkzeuge eingesetzt werden. Der Ruf nach dem Konzil hatte den Papst Leo X. (Giovanni de’ Medici, 1475-1521) bereits unmittelbar nach dem Thesenanschlag Luthers 1517 erreicht. Er reagierte wie in dieser Zeit üblich – mit Bulle und Bann gegen Luther. Die Politischen Spannungen zwischen dem Kaiser und dem Osmanischen Reich führten in den 1520er Jahren dazu, dass Karl V. wiederholt ein Konzil einforderte – er brauchte die Armeen der Protestanten, um gegen die Angriffe im Osten vorzugehen. Aber auch Clemens VII. (Giulio de‘ Medici, 1478-1534) wollte ein solches Konzil nicht einberufen, innerpolitische Probleme beanspruchten ihn mehr als sich mit den Lutheranern aus dem Norden auseinanderzusetzen. Sein Nachfolger, Paul III. (Alessandro Farnese, 1468-1549), folgte jedoch der Idee eines Konzils. Denn, so Sarpi, spätestens nach 1529 und dem Reichstag von Speyer, konnte die Spaltung der Kirche nicht mehr aufgehalten werden. Nun hieß es für die Kurie hauptsächlich, die Reformation nicht nach Südeuropa weiter vordringen zu lassen, sondern dem entgegenzuarbeiten. Das Konzil von Trient sollte dies schaffen. Wie Sarpi in den sieben Büchern über diese Synode jedoch ausarbeitet, wird mehr am Ausbau der kirchlichen Macht in den katholischen Territorien gearbeitet als an einer Zusammenkunft mit den Protestanten. Auch der letzte katholische Fürstbischof des Hochstifts Naumburg, zu dem auch die Stadt Zeitz gehörte, Julius von Pflug (1499-1564), nahm 1551/52 selbst am Konzil teil. Auch er galt als einer der Befürworter des Dialoges – ähnlich wie Sarpi. Aber Pflug reiste ab, denn er musste erkennen, dass Ausarbeitungen und Disputationen untereinander oder in Gremien, die zu „ökumenischen“ Beschlüssen geführt hätten, nicht zusammengefasst oder vertagt worden waren. Prozesse, die Gemeinsamkeiten hätte stärken können, wurden auch abgelehnt. Dafür wurde aber mit den Dekreten der Weg bereitet, den Kardinälen und dem Papst mehr Autorität zu geben. Selbst einfache Anfragen in den kleinen Kirchengemeinden benötigten nun die Zustimmung der Kurie. Die „Gegenreformation“ wurde vorbereitet.
Was Sarpi ebenso mit Quellenauswertungen aufzeigt, ist, dass sich politische und konfessionelle Interessen im 16. Jahrhundert nicht voneinander mehr trennen ließen. Das Konzil, das Konsens und Annäherung hätte suchen sollen, bewirkte das Gegenteil: die Verhärtung der Gegensätze, Kämpfe um die Vorherrschaft in Europa, den „Dreißigjährigen Krieg“, die Einführung von Staatsreligionen oder im absoluten Herrschaftsanspruch der europäischen Fürsten wie Louis XIV. von Frankreich.
Für seine Thesen ist Paolo Sarpi zu seinen Lebzeiten vor allem von Protestanten und Papst-Gegnern gefeiert worden. Unter seinen wissenschaftlichen Weggefährten und Zeitgenossen galt er, trotz seiner außerordentlichen kirchlichen Karriere, als „Krypto-Lutheraner“, also als „verkappter Lutheraner “. In den Augen der Kurie waren Sarpis Gedanken und Äußerungen immer schon zu protestantisch gewesen. In der Republik Venedig war er jedoch vor dem Vatikan und der Inquisition geschützt. Sarpis Schriften beeinflussten u.a. Historiker und Philosophen wie Thomas Hobbes. Sein Hauptwerk wurde seit 1619 mehrfach übersetzt und vielfach gedruckt. Zuletzt wurde 2018 ein historischer Druck wieder neu aufgelegt. Auf Deutsch sind allerdings die wenigsten Nachdrucke erschienen, die meisten in den katholischen Ländern Italien und Frankreich.
Quellen:
Sarpi, Paolo: Außführliche Histori und Beschreibung deß Concilij zu Trient. Darinn alle Räncke un[d]Practicken entdeckt werden, mit welchen der Bapst und der Römische Hoff den Keyser und die Stände des Reichs wegen deß begerten Concilij eine lange Zeit geäffet […]. Frankfurt am Main, 1620
Sekundärliteratur:
- Walter, Peter: „Konzil von Trient“ in: Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz (Hrsg.): Dialog der Konfessionen. Bischof Julius Pflug und die Reformation. Ausstellungskatalog. Petersberg 2017, S. 241f.
- Walter, Peter: „Konzilstagebuch des Julius Pflug“ in: Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz (Hrsg.): Dialog der Konfessionen. Bischof Julius Pflug und die Reformation. Ausstellungskatalog. Petersberg 2017, S. 242f.
- Wassilowsky, Günther: Posttridentinische Reform und päpstliche Zentralisierung: zur Rolle der Konzilskongregation. Tübingen 2014. Unter: http://dx.doi.org/10.15496/publikation-47401
- Ehrenpreis, Stefan und Lotz-Heumann, Ute: Reformation und konfessionelles Zeitalter; 2.Auflage, Darmstadt 2008.
- Müller, Gerhard: Art. Tridentinum, in: Theologische Realenzyklopädie (TRE). 34, S. 62–74.
- Cleugh, James: Die Medici. Macht und Glanz einer europäischen Familie; 4. Auflage, München 2005
- Ulrich, Jörg und Heil, Uta: Klausurenkurs Kirchengeschichte: 61 Entwürfe für das 1. Theologische Examen. Göttingen 2002.
- Hans Wolter: Sarpi, Paul. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 3. Auflage, Tübingen 1957–1962, Bd. 5 (1961), S. 1371 f.
- David Wootton: Sarpi, Paolo. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 30, Berlin/New York 1999
Text: Carmen Sengewald
Fotos: s/w-Abb.: Wikimedia Commons, andere Fotos: Nadine Neumann / © MSMZ