Kind mit Haarschleifen
Handzeichnung von Elisabeth Voigt
Daten zum Glanzstück des Monats September
Elisabeth Voigt (1893 – 1977)
Handzeichnung „Kind mit Haarschleifen“, gerahmt
1932
Inventarnummer : VI / b 02-2
Größe: 530 x 365 cm
Grafiksammlung Museum Schloss Moritzburg Zeitz
Erworben am 6.10.2001 bei Nagel Auktionen Leipzig
Über dieses Glanzstück
Nach dem Ankauf der Handzeichnung „Kind mit Haarschleifen“ auf der 10. Auktion bei Nagel in Leipzig durch das Museum Schloss Moritzburg Zeitz für die Grafiksammlung, hing diese schöne passpartierte Handzeichnung aus dem Jahre 1932 von Elisabeth Voigt in ihrem Goldrahmen mit schmalen Leisten einige Zeit im Gemeinschaftsbüro des Museums.
Dort schaute ich sie immer wieder an.
Die Kohlezeichnung erinnerte mich an meine eigene Studienzeit, an das fast tägliche Zeichnen nach Modell über die 5 Jahre lang, darunter seltener und anspruchsvoller auch mal Kinder … Modellsitzen ist für ein Kind schnell langweilig. Das Mädchen hier wurde vielleicht extra hübsch gemacht mit den Haarschleifen, um seinen Ehrgeiz zu wecken, recht still zu halten und unbeweglich zu bleiben, solange es geht. Das Buch zum Anschauen oder gar Lesen auf ihren Beinen sollte sicher auch die Zeit des tatenlosen Rumsitzens verkürzen. Sie schaut nicht fröhlich, sondern scheint die Künstlerin bei Ihrem Tun zu beobachten, fragt sich vielleicht, wie lange das denn noch dauert…, ob sie sich dann wohl selbst erkennen wird, was wohl jeder Porträtierte gern möchte. Außerdem sehen Künstler beim Zeichnen (Arbeiten) oftmals deutlich anders aus, manchmal erkennt man sie kaum, wenn sie arbeiten, so sehr sind sie angespannt und angestrengt. Erst wenn sie Stift oder Werkzeug niederlegen für eine Pause oder nach Vollendung eines Werkes, tauchen sie wieder auf aus einer manchmal für den Beobachter unheimlichen Versenkung oder Konzentration und sehen sie sich dann erst wieder selbst ähnlich. Vielleicht hat „unser“ Mädchen auch deshalb einen fast fragenden, distanzierten durchdringenden Blick, gar nicht wie die heute immer lächelnden, strahlenden lachenden Porträtfotos von Groß und Klein, von Jung oder Alt, die man leicht in hunderten Varianten macht.
Elisabeth Vogt ist eine ausdrucksstarke Zeichnung gelungen. Nur mit Strichen, ohne Schraffuren für Lichter, für Schatten oder Volumen: faszinierend plastisch zeichnet sie „nur“ mit genau beobachteten Linien die Kindergestalt. Kleiderstoff, Gesicht und Haare, das Buch und die Schleifen festgehalten mit Kohle oder Kreidestift, sind körperlich und stofflich eindeutig auszumachen, das Motiv ist nicht flächig behandelt sondern könnte auch von einer bildhauerisch geschulten Hand gezeichnet worden sein.
Frau Ursula Rittig, die über sehr viele Jahre die verantwortliche Bearbeiterin der Grafiksammlung war, ist mit dem Ankauf dieser Handzeichnung ein seltener Glücksfall gelungen. Selten sind in den letzten 25 Jahren solche Ankäufe überhaupt möglich gewesen. Nicht wie bei Druckgrafiken gibt es natürlich nur ein Original einer Zeichnung, diese hier nun ist seit 2001in unserem Besitz. Sie ist also einmalig und leicht zu erkennen: von Meisterhand geschaffen. Das Kinderporträt entspricht dem Sammlungsschwerpunkt „Kinder und Kindheit“, der vor vielen Jahren für unser Museum wegen unserer großen einmaligen Kinderwagen-Sammlung folgerichtig für die Kunst-Sammlung des Hauses herausgearbeitet wurde. Außerdem hatte Elisabeth Voigt nicht nur wegen ihres Geburts- und Sterbeortes Leipzig regionalen Bezug zu Zeitz, sie wohnte und arbeitete auch in den letzten Kriegsjahren in Pötewitz in der Nähe von Zeitz, auf einem Bauerngut, um den Bombenangriffen auf Berlin zu entgehen.
Die Zeichnung wird gerade mit anderen Holzschnitten und dem Mappenwerk „JEREMIAS“ aus dem Schaffen von Elisabeth Voigt in einer Kabinettausstellung im Kunst- und Museumspädagogischen Zentrum „Johannes Lebek“ im Torhaus des Schlosses bis zum 10. August 2026 präsentiert. Die anderen ausgestellten Arbeiten verdanken wir einem privaten Leihgeber. Nach Anmeldung ist eine Besichtigung während der Öffnungszeiten des Museums möglich. (Di-So, 10-16 Uhr, Tel. 03441688151).
Text: Ulrike Trummer
Biografie: Elisabeth Voigt
am 5.8.1893 in Leipzig geboren
- bis 1914 zeitweiliger Aufenthalt in Philadelphia (USA)
- von 1914 bis 1922 erste Holzschnitte, plastische Versuche
- Studium an der Akademie für grafische Künste und Buchgewerbe Leipzig
- 1922 Beginn des Studiums an der Hochschule für Bildende Künste Berlin-Charlottenburg ( u.a. bei Karl Hofer)
- 1928 erste von Max Liebermann gestiftete Romreise
- 1929-1934 Meisterschülerin an der Preußischen Akademie der Künste bei Käthe Kollwitz
- 1933 Dürerpreis der Stadt Nürnberg für Holzschnitte zum Dreißigjährigen Krieg
- 1934-35 Rompreis, Aufenthalt in der Villa Massimo
- 1935 eigenes Atelier in Berlin
- 1936 verstärkte Hinwendung zur Malerei
- alljährliche Aufenthalte in Südtirol
- 1937 Silberne und Goldene Medaille für Grafik zur Weltausstellung in Paris, Ankäufe für den Louvre
- 1940 Graphikpreis der Stadt Berlin
- 1941 Bronzemedaille der Deutschen Graphikausstellung in Madrid
- 1941 Erster Preis in einem Wandbildwettbewerb
- 1943 „Premio Cremona“ im Wettbewerb italienischer und deutscher Künstler
- 1943 -45 in Berlin, ausgebombt (Ende des II. Weltkrieges)
- 1945 Wohnsitz und Atelier in Leipzig, Berufung an die Hochschule für Grafik und Buchkunst, Professur
- 1952 Lehrauftrag am Institut für Kunsterziehung an der Karl-Marx-Universität Leipzig
- zwischen 1946 und 1975 Beteiligung an zahlreichen Ausstellungen in der DDR und in der BRD
- 1975 Ehrenmitglied des VBK der DDR
am 1.11.1977 gestorben in Leipzig
Quellen für Biografie:
Arnd Schultheis „Bildende Kunst“ Heft 12 1983 S. 606 bis 609
„Internet „Frauenpersönlichkeiten in Leipzig“ Text von Ute Tarz „Elisabeth Voigt“
(https://research.uni-leipzig.de/agintern/frauen/voigt-e.html)