Japanisches Kurzschwert
Ein Wakizashi
Daten zum Glanzstück des Monats März
Kurzschwert, gebraucht
Mehrteilig, Stahl, Eisen, Magnolienholz, Bambus, Rochenhaut, Seide, Messing, Shakudo; unvollständig
Mitte 19. Jh., Edo-Zeit (1603 bis 1868).
Länge mit Saya 62,5 cm; Länge ohne Saya 57 cm; Länge Griff 13 cm; Breite 4 cm
Inv.Nr. X – 148 a, b
Provenienz: Tausch. Herkunft: Winkler aus Zeitz. Ersterfassung: 18. Oktober 1960.
Über dieses Glanzstück
Seit dem 16. Jh. galt für jeden Samurai, dass sein Schwert auch dessen Seele sei. Es hatte wesentliche Bedeutung für ihn und galt nicht nur als Zeichen seines Standes, sondern auch als Teil seiner Persönlichkeit. Es wurde als Erbe an die folgenden Generationen weitergegeben und immer in Ehren gehalten. Eine solche Stichwaffe stand stellvertretend für Disziplin, Gehorsam, Vollkommenheit, Ehre und Willensstärke. Ein japanisches Schwert war und ist zugleich selbst eine vollendete Zusammenfügung von zweckentsprechender Form und höchster künstlerischer Gestaltung eines Waffenschmieds. Seine Klingenschärfe, Elastizität und Robustheit zeichneten es besonders im Kampf Mann gegen Mann aus. Aber in Japan gehörten Schwerter nicht nur zum Waffenarsenal für den Krieg, sondern sie wurden auch ein ständiges Accessoires zu Friedenszeiten. Das hier vorgestellte Kurzschwert „Wakizashi“ ist ein bescheidenes Beispiel seiner Art, dennoch aber nicht minder beachtenswert. Es handelt sich um ein Schwert aus der ausgehenden Edo-Zeit (1603 bis 1868).
Das Exponat besteht aus elf Teilen – Schwertklinge mit Angel, Scheide (Saya), Stichblatt (Tsuba), zwei Unterlegscheiben (Seppa), zwei Klingenzwingen (Habaki), einer Schwertzwinge (Fuchi), dem Griff (Tsuka), einem Dübel (Meguki) und dem Knauf (Kashira). Sowohl das Schwert als auch die Schwertscheide sind stark restaurierungsbedürftig.
Die Stichwaffe hat eine sogenannte „buke-zukuri“-Montierung, d.h. es hat keine Trageringe für einen Koppel an der Schwertscheide und der Griff ist mit einem Seiden- oder Lederband umwickelt. Es wurde wie das Langschwert (Katana) an der linken Seite getragen. Diese Stichwaffen wurden einfach durch den Obi (Gürtel) geschoben.
Die Saya ist gefertigt aus Magnolienholz und ursprünglich durchgängig mit schwarzbraunem glänzendem Lack überzogen. Zudem verfügt sie über einen Scheideneinsatz für eine Schwertnadel (Kogai). Es fehlen der Karpfenmaulartiger Einsatz an der Scheidenöffnung (Koiguchi) aus Metall, die verzierte Halterung für die Sageo (Kurigata) aus Horn oder Holz und die Sageo, ein gebundenes Band, welches zusammen mit der Kurigata verhindert, dass das Schwert durch den Gürtel hindurchrutscht.
Die Klinge ist beschädigt und weißt deutliche Gebrauchsspuren auf. Sie hat eine für Kurzschwert typische geringe „torii“-Krümmung. Ihr Rücken (Mune) ist stumpfwinklig. Eine das Klingenblatt durchziehende „bo-hi“–Hohlkehle mit rundem Abschluss (Maru-dome) verringert das Gewicht der Klinge. Diese Hohlkehle wurde mit rotem Lack nachgezeichnet – weil sie fälschlicherweise für eine „Blutrinne“ gehalten und so das „Blut“ des Gegners imitiert wurde. Die lange Klingenspitze (o-Kissaki) hat gebogene Kanten, eine sogenannte „fukura-tsuku“-Ausführung. Die Schwertangel (Nakago) hat die Form eines Schiffsboden (Funa-gata). Die Angelspitze ist mit einer doppelten Schrägkante (Kuri-jiri oder Hira-yamagata) versehen. Normalweise finden sich auf der Angel Hinweise auf Herstellungsort, Schmied oder über die Schwertprüfung. Da das Eisen aber eine starke Oxidation aufweist, ist darüber nichts zu erfahren. Vielleicht fehlen die Hinweise aber auch grundsätzlich.
Die Klingenzwingen aus Messing sind keilförmige Manschetten, welche die Klinge daran hindern, dass diese in der Scheide weder klappert, noch versehentlich herausrutschen kann. Darüber befinden sich die erste Unterlegscheibe, die Tsuba und darüber die zweite Unterlegscheibe. Beide Scheiben sind aus Messing gefertigt.
Die einfach gestaltete Tsuba dazwischen ist rund und aus Eisen. Sie ist ebenfalls vom Rost gezeichnet, eine ehemalige Verzierung ist sehr schwach erkennbar. Eine Aussparung für die Schwertnadel ist eingearbeitet.
Der Griff besteht ebenfalls aus mehreren Materialien und Bestandteilen: die Schwertzwinge, einem durchgehenden Dübelloch (Mekugi-ana) mit Bambusdübel, einer rautenförmigen Seidenbandumwicklung, darunter umleimte Rochenhaut mit einer Aussparung für den fehlenden Griffzierrat (Menuki) und einem mit kleinen Sternen verziertem Knauf, der Kashira. Sowohl die Schwertzwinge als auch der Griffknauf bestehen aus einer speziellen Metalllegierung, dem Shakudo (dt. Rotkupfer).
Ein Wakizashi wird auch als Shōtō (kleines Schwert) bezeichnet. Es ist dem japanischen Langschwert, dem Katana, sehr ähnlich. Seine kürzere Klinge misst maximal 60 Zentimeter. Mit der hölzernen Saya ist es etwas länger. Gemeinsam mit dem Katana bildet ein Wakizashi ein Schwertpaar, japanisch „daishō“ genannt. Einem Samurai war es möglich mit beiden Waffen gleichzeitig zu kämpfen, meist wurde aber nur das Langschwert auf dem Schlachtfeld gewählt. Ein Kurzschwert bot die Möglichkeit sich in engen Räumen oder Gassen besser zu verteidigen. Das Katana wurde zudem im Haus abgelegt, das Wakizashi z.B. nicht. In japanischen Häusern gab es immer eine Ablegemöglichkeit, einen Holzständer, für Schwerter. Des Nachts z.B. lag eine Waffe nie weit entfernt von dessen Träger, es war praktisch immer griffbereit.
Das Shōtō diente eher als Zweit- und/oder Ersatzschwert. Manchmal wurde es aber auch extra, an einem besonderen Ort, aufbewahrt, denn es war zudem ein wichtiger Teil der rituellen Selbsttötung, dem Seppuku. Dabei schnitt sich der sitzende Mann nach der Entblößung des Oberkörpers mit der in Papier gewickelten Klinge eines Wakizashi oder eines Tantō (Dolch) unterhalb des Bauchnabels, meist von links nach rechts, mit einer abschließenden Aufwärtsführung der Klinge den Bauch auf. Ein bereitstehender Assistent schlug im richtigen Moment den Kopf (fast) ab. Der ‚Seppuku‘ war hauptsächlich den Samurai vorbehalten.
Mit der durch Kaiser Mutsuhito eingeleiteten Meiji-Restauration verloren die Samurai nicht nur ihre Aufgaben, Sonderstellung und ihre Macht, sondern auch das Privileg, Schwerter zu tragen. Es wurden, außer für das Militär, keine Waffen mehr geschmiedet. Allen anderen war das Tragen der Schwerter verboten. Es begann ein Export der Schwerter und deren Verzierungen nach Frankreich und in die USA – an private Sammler, die deren Besonderheiten und Exotik schätzten. Nach dem 2. Weltkrieg gelangten als „Kriegsandenken“ ca. eine Viertelmillion japanische Samuraischwerter in die Vereinigten Staaten von Amerika.
Das Exponat ist momentan nicht in den Ausstellungsräumen der Moritzburg zu sehen. Seit den 1960er Jahren liegt es im ethnographischen Depot des Museums. Es wurde gegen eine Konfuzius-Figur aus dem 18. Jh. eingetauscht von einer Person namens Winkler, wohnhaft in der Elsterstadt. Wie es nach Zeitz kam, wurde nicht festgehalten. Im Inventarbuch wurde es unwissentlich als „Chinesischer Militärsäbel“ eingetragen.
Text: Carmen Sengewald
Fotos: Nadine Neumann / Carmen Sengewald © MSMZ