„Koro“
Japanischer Weihrauchbrenner
Daten zum Glanzstück des Monats März
Dekorationsmöbel, gebraucht
mehrteilig, Bronze, unvollständig
circa 1880 – 1890
Höhe 141 cm, Breite 41 cm
Inv. Nr. V/E – 666 a, b, c
Provenienz: Altbestand, Herkunft unbekannt, Ersterfassung 19. Mai 2020
Text: Carmen Sengewald / Fotos: Carmen Sengewald, Nadine Neumann © MSMZ
Über dieses Glanzstück
Seine heilende, wohltuende Wirkung wurde und wird noch in vielen Kulturen geschätzt – Weihrauch. Der aromatische Duft durchzieht schnell den Raum und hat viele positive Auswirkungen für Körper und Seele. Auch zur Reinigung und Desinfektion ist der ,heilige Rauch‘ einsetzbar. In den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten Japans waren der Weihrauch und dessen Wirk- und Duftstoffe besonders bei Ritualen und Zeremonien sehr geschätzt, bereits seit Jahrhunderten.
Der hier vorgestellte japanische Weihrauchbrenner „Koro“ ist ein Behälter zum Abbrennen von Räucherwerk bzw. -stäbchen. Er wird z. B. mit bereits glühender Holzkohle befüllt, diese wird dann mit Asche bedeckt, eine Metallplatte darüber gelegt, auf der wiederum Wirk- und Duftstoffe, ohne zu verbrennen, verdampfen. Das Wort „Koro“ beinhaltet auch den Begriff „Kō“, zu Deutsch „alles, was zwecks Wohlgeruch verbrannt wird“. Duft-Rituale gehören zum „Kōdō“ wiederum, der überlieferten japanischen Kunst zur Wertschätzung der Düfte und des Räucherwerks oder kurz zum „Klang der Düfte“. Bei Zeremonien wurden Düfte u. a. dazu genutzt, um mit den Geistern des Himmels oder den Göttern in Kontakt zu treten. Es umfasst alle Aspekte einer Räucherung, angefangen bei den Werkzeugen bis hin zu den Aktivitäten, wie den Kōdō-Duftspielen. Weitere Varianten eines Koros sind sogenannte Dufthenkelvasen oder Parfümbrenner. Hier spielen unterschiedliche Duftöle eine große Bedeutung, die in Wasserbädern ihre Kräfte entwickeln. Letzteres kann auch beim vorgestellten Koro als Nutzung möglich gewesen sein. Seit der Sengoku-Zeit (1467-1603) gibt es desgleichen ritualisierte Zusammenkünfte zum gemeinsamen Genuss von Düften. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts entwickelte sich daraus ebenfalls eine Art gesellschaftliches Spiel. Heute ist ein Koro noch lange nicht aus der Mode gekommen. Im imperialistisch geprägten Europa diente so ein exotisches Stück aus dem fernen Japan aber eher als Dekorationsmöbel oder sogar als Vase.
Das Exponat ist in mehreren Teilen übereinander gegliedert. Damit erscheint es nicht nur imposanter, sondern vermittelt auch den Eindruck, welch präsente Bedeutung es bei Duft-Ritualen und in der alltäglichen Lebenswirklichkeit der Japaner eingenommen hat.
Auf einem hohen vierbeinigen Hocker, dessen Beine aus vier stilisierten Elefantenköpfen bestehen, verharren ebenfalls vier große dämonenhafte Wesen mit scharfen Klauen, wildem Haar und zwei Hörnern auf ihren Köpfen. Die namhaften „Oni“ tragen das eigentliche vasenförmige Weihrauchgefäß. Am Behältnis selbst, befinden sich zwei weitere „Oni“ als Handhaben. Diese Figuren sind in das Gefäß gesteckt und von innen fixiert. Der größte Teil des Gefäßes ist mit dem Rinzu-Muster verziert, eigentlich ein typisch japanisches, unendlich erscheinendes Seidenmuster – hier findet es sich aber in Bronze wieder. Ebenso ist der Koro mit unterschiedlichen Ornamenten aus der Pflanzen- und Mythenwelt geschmückt, u. a. mit Blumen und Drachen. Auf der untersten Plattform befindet sich medaillenförmig ein Abbild eines sehr schön ausgearbeiteten Japanischen Drachens, der in sich verschlungen ist.
Oben auf dem Deckel steht die Gestalt eines alten Mannes mit langem Bart, der in die unbekannte Ferne schaut. Sein Kosodo (kurzärmliger Kimono) ist verziert mit einem Drachen vorn und mit Wind- und Wolkensymbolen auf Ärmeln und Rock. Seine Kleider sind auf dem Rücken zudem mit einem Phoenix geschmückt. Zusammengehalten wird seine Kleidung mit einem Gürtel, dem „Uwa-obi“, der von einer Art Gürtelschnalle in Form einer Chrysantheme geziert wird. Diese Art von Gürtel dient auch gleichzeitig als Koppel für das „Katana“, dem Schwert eines Kriegers. Kurios, denn es handelt sich hierbei aber nicht um einen Samurai, sondern um einen Beamten. Diese sind zum Tragen eines Schwertes nicht bemächtigt. Die unterschiedlichen Symbole zeigen weiter, dass der Mann einen Bezug zum Kaiserlichen Hof hatte. Ein schönes Detail sind ebenso die Drachenstiefel, die der Mann trägt. Ein Stab oder Stock in der linken Hand fehlt, die Vorrichtung ist dafür aber vorhanden. Der Deckelkranz ist leicht beschädigt. Mit den Jahren hat der Koro eine natürliche dunkle Patina entwickelt, unter der sehr gut die rot- und goldschimmernde Bronze hervortritt. Da der alte Mann im Aussehen sehr an China erinnert, kam es bereits häufig zu Verwechslungen in der Herkunft des Koros. Der untere Teil belehrt den Betrachter eines anderen.
Auf dem bauchigen Teil des Weihrauchbrenners sind zwei Kartuschen mit Szenen aus der japanischen Geschichte als Relief gestaltet: ein Ginko-Baum mit zwei Tauben. Beides Symbole für Leben und Frieden, aber auch für die Stadt Tokyo. Die andere Seite zeigt einen Ausschnitt aus der Legende „Die Rache der Soga-Brüder“ [‚Soga juban giri‘]. Die Geschichte der Soga-Brüder ist ein beliebtes Thema in der japanischen Kunst und Kultur und beruht auf einer tatsächlichen Begebenheit im adligen Japan des Jahres 1193. Die beiden Brüder Juro und Goro, beides Samurai, drangen des Nachts in das Jagdlager des obersten Samurai-Generals, Shogun Yoritomo, am Fuße des Berges Fuji ein. Sie überwältigten und enthaupteten Minister Kudo Suketsune, den Vetter und Mörder ihres leiblichen Vaters. Das Leben der beiden jungen Männer war seit dem Kleinkindalter dominiert von Rachegedanken und einer Vendetta unter den verfeindeten Familienmitgliedern. Beide wollten nur eines: den Tod des Vaters sühnen. Nachdem sie Rache genommen hatten, wurden aber beide getötet – Juro im Kampf mit einem Wachposten und Goro wurde auf Verlangen der Söhne Kudo Suketsunes hingerichtet. Ihr Mut und ihre Tapferkeit rechnete ihnen der Shogun jedoch hoch an.
Das Siegel auf der Plattform des Brenners verrät, dass es vom Haus Nakano ya [„Nakano ya saku“] bzw. in der Stadt Nagano hergestellt und vom Künstler Seisetsusai gegossen worden ist [„Seisetsusai chu“]. Seisetsusai ist ein Künstlername von Kano Eitoku Tatsunobu (1814-1891). Er war u. a. auch am kaiserlichen Museum in Tokyo tätig. Das Exponat stammt aus der Meiji-Periode (1868-1912). Eine Zeit des Umbruchs unter Kaiser Mutsuhito (offiziell posthum Meiji genannt). Er wählte als seinen offiziellen Titel das Motto aus, was auch sein handelndes Regieren näher charakterisiert: eine „aufgeklärte Herrschaft“. Japan entwickelte sich von einem Feudalstaat in eine moderne kaiserliche Großmacht, die sich der Welt öffnete – aber sich auch abwandte von den alten Traditionen, wie z. B. den Samurai.
Der Weihrauchbrenner ist vermutlich als Ausstellungsstück einer der großen Weltausstellungen nach Europa gekommen oder war ein Gastgeschenk einer Delegation. Aufzeichnungen, wie er seinen Weg in das Zeitzer Museum fand, gibt es nicht. Er kam aber vor 1952 ins Museum. Als er aufgestellt wurde, befanden sich Aschereste im Weihrauchgefäß. Der Weihrauchbrenner befindet sich heute im Herzogszimmer der Moritzburg Zeitz und wird in der Dauerausstellung „Zeit der Herzöge“ gezeigt.