Praktisches Schmuckstück oder Ausdruck kultureller Identität?
Ein frühmittelalterliches Bügelfibel-Paar
Daten zum Glanzstück des Monats Juli
Gewandspangen-Paar, gebraucht
Material/ Technik: Silber, Goldüberzug / gegossen, gehämmert, vergoldet
Zeitstellung: Frühmittelalter, ca. 6. Jh. nach Christus
Provenienz: Grabfund, Friedhof Oberwerschen, Stelle 3 (Grab 2)
Länge: 6,5 cm, Breite (Kopf): 3,1 cm, Breite (Mitte): 1,7 cm
Inv.Nr.: III/54/16 r (ein Knopf fehlt) /s (alle fünf Knöpfe vorhanden)
Ersterfassung: 27.07.1954
Über dieses Glanzstück
Inmitten unserer Ur- und Frühgeschichtlichen Sammlung findet sich so manches bemerkenswerte Kleinod. Neben kleinen und großen Gefäßen, Scherben, Tierknochen und Steingeräten stechen vereinzelt besondere Objekte hervor, so wie das vorliegende Paar Fünfknopffibeln. Das Gewandspangen-Paar (Fibeln) stammt aus einem Grabfund auf dem Friedhof der Gemeinde Oberwerschen, nahe der Stadt Zeitz. Konkret sind sie Teil eines Fundkomplexes von Grabbeigaben eines Frauengrabs aus dem 5. und 6. Jahrhundert nach Christus. Zusätzlich zu den Bügelfibeln wurden der Frau folgende Beigaben (positioniert an unterschiedlichen Stellen im Grab) mitgegeben: zwei ebenfalls vergoldete S-förmige Fibeln, ein doppelkonischer Spinnwirtel, ein Goldbrakteat mit einer Hängeöse, eine melonenförmige Glasperle, ein Bronzenadelfragment, drei weitere Glasperlen, eine Bernsteinperle, zwei Bronzeschlüssel, das Fragment eines kleinen Bronzeringes, eine Eisenschere und ein Eisenmesser in einer Lederscheide, ein Bronze- und ein Eisenring, ein Zweireihenkamm, eine Millefioriperle und ein tierischer Röhrenknochen.
Wie sind Bügelfibeln aufgebaut?
Bügelfibeln bestehen klassisch aus drei Teilen: einer Kopfplatte, dem Bügel sowie der Fußplatte. Bei dem Paar Fünfknopffibeln handelt es sich um Bügelfibeln, die eine halbrunde Kopfplatte mit ursprünglich fünf spulenförmigen Knöpfen und einer rhombischen Fußplatte mit Tierkopfabschluss besitzen. Charakteristisch bei den beiden Fibeln ist die rautenförmige Fußplatte mit dem kleinen Dreiknopfende. Auf der Kopfplatte der Fibeln sind verschiedene Rankenmuster erkennbar. Ursprünglich befanden sich, bei der Fibel wo ein Knopf fehlt, auch Stoffreste auf der Rückseite. Überdies sind die Originalverschlüsse nicht mehr vollständig erhalten, zumal sie nicht mit aus dem Grab geborgen wurden.
Wie werden Bügelfibeln hergestellt?
Das Material von Bügel- und Kleinfibeln, wie dem eingangs erwähnten S-förmigen Fibel-Paar, besteht meist aus Metall. Die Herstellung dieser Fibeln erfolgt in mehreren Schritten, wobei zunächst die Kopf- und Fußplatte sowie der Bügel in die gewünschte Form gebracht werden. Hierfür werden in der Regel zwei Lehmformen verwendet. Diese Lehmformen entstehen durch die Nutzung eines Modells aus Buntmetall, Blei und eventuell Holz, welches nach einem existierenden Original oder einer Vorlage gestaltet wird.
Der erste Schritt der Herstellung besteht darin, das Modell sorgfältig zu schnitzen und zu formen, um die gewünschten Details und Abmessungen zu erreichen. Dieses Modell dient dann als Grundlage für die Lehmformen, die in zwei Hälften geteilt werden, um die verschiedenen Seiten der Fibel zu formen. Nachdem die Lehmformen erstellt und getrocknet sind, werden sie erhitzt, um eventuelle Feuchtigkeit zu entfernen, was verhindert, dass das flüssige Metall beim Guss spritzt oder Blasen bildet. Sobald die Lehmformen vorbereitet sind, wird das Metall – in diesem Fall Silber anstatt der üblicherweise verwendeten Bronze – geschmolzen. Das flüssige Metall wird dann vorsichtig in die Lehmformen gegossen, um die verschiedenen Teile der Fibel zu formen. Nach dem Abkühlen und Aushärten des Metalls werden die Lehmformen zerbrochen, um die gegossenen Teile freizulegen. Diese werden anschließend gereinigt, poliert und, falls notwendig, weiterbearbeitet, um eine feine Oberflächenstruktur zu erzielen.
Bei den vorliegenden Gewandspangen wurden höherwertige Materialien, konkret Silber und Gold, verwendet. Diese Edelmetalle, zusammen mit der aufwändigen Herstellungstechnik und den übrigen Grabbeigaben, unterstreichen die Bedeutung und den Reichtum der Trägerin.
Fibeln als Zeichen sozialer Identität?
Germanische Kleiderspangen dienten nicht nur als praktischer und zugleich schmückender Verschluss der Kleidung. Die Vielzahl der Typen und Varianten sowie deren geografische Verbreitung lassen erkennen, dass die verschiedenen Formen oft mehr als nur modisches Design waren. Zugleich waren sie Zeichen einer Gruppenzugehörigkeit, sei es innerhalb einer Sippe, eines Stammes oder eines Verbandes. Meist lassen die Accessoires an Frauentrachten die ethnische Zugehörigkeit besser erkennen als die häufig schmucklose Männermode.
Die Fibeln wurden nicht nur einzeln, sondern oft auch paarweise getragen, wie das vorliegende Paar Fünfknopffibeln zeigt. Im westgermanischen Raum waren sie manchmal sogar als Viererpaar verbreitet. Diese Tatsache und die Beigabe von zwei Paaren im Frauengrab deuten darauf hin, dass die bestattete Frau die Fibeln nicht nur paarweise am oberen Ende ihres Gewandes trug, sondern möglicherweise sogar als Viererpaar, jeweils ein Paar auf der linken und rechten Seite. Darüber hinaus konnten Fibeln auch an verschiedenen Stellen des Gewandes getragen werden. Sie dienten somit nicht nur als praktische Verschlüsse, sondern waren auch bedeutende Symbole sozialer und kultureller Identität.
Die beiden Fünfknopffibeln sowie die die S-förmigen Fibeln, waren mit einem Großteil der anderen Grabbeigaben ab 1981 Leihgaben an das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale). Als Gesamtkonvolut sollten diese in die kommende Dauerausstellung über die Völkerwanderungszeit integriert werden. Die Fibel und die anderen Beigaben sind 2016 an das Museum Schloss Moritzburg Zeitz zurückgegeben worden, da sie im Landesmuseum nicht mehr für Ausstellungszwecke gebraucht wurden.
Im Oktober 2022 wurden sowohl die beiden Fünfknopffibeln als auch das Paar S-Fibeln, zusammen mit dem Rapier des Herzogs Moritz von Sachsen-Zeitz restauriert. Seit Januar 2023 ergänzen sie nun thematisch unsere Dauerausstellungen.
Text: Nadine Neumann
© Fotos: Nadine Neumann/ MSMZ