Das Totenbildnis der Prinzessin
Magdalena Sybilla von Sachsen-Zeitz
Daten zum Glanzstück des Monats August
Künstler: Christian Schäffer
Datierung: 1672
Technik / Material: Öl auf Leinwand
Maße: 138 x 106,5 cm / 159 x 127 cm (mit Rahmen)
Inv. Nr.: VI/A 59 – 134
Über dieses Glanzstück
Teil der Gemäldesammlung des Museums Schloss Moritzburg Zeitz ist die Sammlung barocker Totenbildnisse. Sie zählt zu den umfangreichsten höfischen Totenbildnissammlungen Deutschlands – nicht nur deswegen ist sie ein ganz besonderer Schatz unseres Museums. Selten werden solche Zeugnisse barocker Bestattungskultur in Museen ausgestellt, bei uns ist ihnen ein ganzer Raum in der Dauerausstellung „Zeit der Herzöge“ gewidmet. Die Zeitzer Totenbildnisse waren Teil des aufwändigen fürstlichen Bestattungsrituals. Sie zeigen die Verstorbenen nicht wie lange üblich auf dem Sterbebett, kurz nach Eintritt des Todes, sondern erst nach der Waschung und feierlichen Einkleidung aufgebahrt in einem Paradesarg. Die Toten der Herzogsfamilie von Sachsen-Zeitz wurden damals in einen kostbar verkleideten Holzsarg aus Eiche gelegt und auf einer erhöhten Estrade oder einem Gestell aus Holz zur sogenannten Paradierung aufgestellt. Zu dieser durfte die Öffentlichkeit innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens den Raum des Schlosses betreten, wo der Leichnam aufgebahrt wurde – meist im Tafelgemach, dem heutigen Festsaal. Später wurden die Verstorbenen in der Fürstengruft der Schlosskirche, der Krypta des Doms St. Peter und Paul, beigesetzt, wo man heute die 13 Särge aus Zinn besichtigen kann. In der Schlosskirche befanden sich am Ende des 18. Jahrhunderts auch die Totenbildnisse: Im Vorgemach zur Herzogsloge hingen sie als Gedächtnis- und Mahnbild zur Erinnerung an die Vorfahren und zum Gedenken des Todes. Aufgrund der damals hohen Kindersterblichkeit sind unter den insgesamt 15 Totenbildnissen im Besitz des Museums sieben, die Prinzen und Prinzessinnen des Herzogtums Sachsen-Zeitz zeigen. Eines davon ist das Totenbildnis der Prinzessin Magdalena Sybilla.
Magdalena Sybilla war das achte Kind des Herzogs Moritz von Sachsen-Zeitz und seiner zweiten Gemahlin Dorothea Maria. Am 7. April 1672 auf Schloss Moritzburg geboren, verstarb sie bereits nach wenigen Monaten am 20. August 1672. Der damalige Hofmaler, Christian Schäffer, war einer der ersten, dem der Zugang zur Verstorbenen gewährt wurde, um die Skizzen für das Totenbildnis anzufertigen. Er wählte ein Hochformat, in dessen Zentrum die Prinzessin aufgebahrt in einem silberfarbenen Gewand aus Seidenatlas und kostbarer Spitze liegt. Ein Engel hält schützend seinen Arm über das verstorbene Kind, während er den Blick nach oben in das sich öffnende Himmelsreich richtet, wo bereits andere Engel, die Totengeschwister der Prinzessin, ihre Ankunft erwarten. Ein weiterer Engel im Vordergrund hält ein ovales Porträt von Magdalena Sybilla in den Händen und schaut dabei mit traurigem Blick aus dem Bild zum Betrachter. Am rechten Bildrand ragt ein schwarzer Vorhang in den Raum hinein – ein sogenanntes Vanitas-Symbol, das für die Vergänglichkeit des Irdischen steht. Solch einen Vorhang findet man auf fast allen Totenbildnissen der Sammlung. Symbolisch trennt er das Reich der Toten von dem der Lebenden. Das Vanitas-Motiv ist ein bedeutendes Thema in der Kunst des Barocks. Den damaligen Betrachtern war jene Symbolik geläufig. Als Mittel der Bildsprache lieferte sie zusätzliche Informationen, die sie lesen konnten. Im Totenbildnis von Magdalena Sybilla sind neben dem Vorhang weitere Vergänglichkeitssymbole zu finden: So steht etwa in der rechten unteren Bildhälfte ein Blumentopf mit Nelken in unterschiedlichen Wachstums- und Verfallsstadien. Die Nelke ist im Übrigen nicht nur ein Hinweis auf Vergänglichkeit, die Kürze des Menschenlebens und das Wiedersehen nach dem Tod, sondern sie war zudem die Lieblingsblume der Prinzessin – zwei Nelken sind auch in ihren Händen in der Mitte des Bildes zu sehen. In der unteren Bildmitte ist ein sogenanntes Epigramm zu lesen, das von einer Kartusche wiederum mit Symbolen des Todes und der Vergänglichkeit gerahmt wird: ein Totenkopf, gekreuzte Knochen und eine Sanduhr.
Ein Epigramm ist ein kurzes Sinngedicht und als Inschrift zur Bezeichnung des Dargestellten und dessen Bedeutung auch auf Kunstwerken zu finden. Das auf dem Totenbildnis der Prinzessin Magdalena Sybilla ist höchstwahrscheinlich sogar vom Maler Christian Schäffer selbst verfasst, da er direkt unterhalb des Epigramms das Werk signierte.
So1 war diß Fürsten Kind gestohlen seinem Leben,
So² hat es nun der Todt wie schlaffend vorgestellt!
So³ wird die fünstre Grufft Ihm die Verwesung geben
Gleicht Es der Blumen nicht? Sie blüht₄! verblast₅! und fällt₆!
O Zarter Fürsten Geist! Du unbefleckte Seele
Wie sanffte ruhest Du in Deines JESU Schooß
O Schöner Himmels Tausch! vor diese Jammer Höle,
Die Freude so du hast, ist unaussprechlich groß!
Freäulein MAGDALENA SIBYLLA
Hertzogin zu Sachßen, Jülich, Cleve und Bergk
ward geboren zur Moritzburg an der Elster Anno 1672
den 7 Aprilis abents ein virtel auff 7 Uhr, Starb daselbst
solches Jahr den 20 Augusty nachmittage stracks nach 2 Uhr
Ihres Alters 19 wochen, 1 Tag, 19 ¾ Stunden.
Besonders ist auch, dass er das Epigramm um kleine, rote Zahlen ergänzte, die sich auf einzelnen Bildelementen wiederfinden lassen – ein Verfahren, das zum Beispiel bei der Illustration wissenschaftlicher Lehrwerke verwendet wird. Schäffer stellt damit nicht nur einen Bezug zwischen Epigramm und dem Dargestellten her, sondern gibt dem Betrachter eine Art Bildrätsel auf, das er über die Nummernverweise gleichzeitig wieder auflöst.
Christian Schäffer war bei diesem Totenbildnis qualitativ auf dem Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens angekommen. Seine Ausbildung als Maler erhielt er in Schlesien. Nachdem sein erster Dienstherr, Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar verstarb, ging er mit dessen Tochter Dorothea Maria, seit 1656 Gemahlin von Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz, erst nach Naumburg und später nach Zeitz. Sein Atelier, die sogenannte Malerstube, befand sich im Erdgeschoss des Schlosses, südlich der steinernen Haupttreppe. 31 Jahre lang arbeitete Schäffer als Hofmaler des Hauses Sachsen-Zeitz. Nach seinem Tod übernahm sein Sohn Erdmann Friedrich seine Nachfolge.
Noch heute kann man ein Selbstbildnis Christian Schäffers im Zeitzer Dom, der damaligen Schlosskirche St. Trinitatis, betrachten: Auf dem Altargemälde zeigt sich der Maler als Soldat hinter dem Hauptmann mit Feldherrenstab, welcher Herzog Moritz darstellen soll. Über dessen Schulter schaut er den Betrachter direkt an. 1672 schuf Schäffer das Altarbild – im Alter von 34 Jahren. Im selben Jahr entstand auch das Totenbildnis der Prinzessin Magdalena Sybilla von Sachsen-Zeitz.
Im Dom wurden die Totenbildnisse später zum Schutz vor feindlichen Truppen versteckt. Viele Jahre vergingen bis man sie dort wiederfand. Einige davon waren in desolatem Zustand. Innerhalb der letzten 20 Jahre wurden diese nach und nach von dem Restaurator Mirko Negwer restauriert – so auch das Totenbildnis der Prinzessin Magdalena Sybilla in den Jahren 2000 und 2001. Bald ist nun endlich auch das letzte zu restaurierende Gemälde der Zeitzer Totenbildnissammlung, das großformatige Totenbildnis des Herzogs Moritz von Sachsen-Zeitz, im Schloss zu sehen (wir haben darüber berichtet). Vorrausichtlich ab Herbst wird es zusammen mit den anderen Totenbildnissen in der Dauerausstellung „Zeit der Herzöge“ präsentiert.
Text: Wiebke Havenstein
Fotos: Carlo Böttger, Wiebke Havenstein / © MSMZ
Quellen:
Kunde, Claudia: Die Sammlung von Totenbildnissen im Schloss Moritzburg in Zeitz, in: Museumsverbund „Die fünf Ungleichen e. V.“/ Museum Schloss Moritzburg Zeitz (Hrsg.): Barocke Fürstenresidenzen an Saale, Unstrut und Elster, Petersberg 2007, S. 318 – 320.
Kunde, Claudia: Totenbildnis der Prinzessin Magdalena Sybilla von Sachsen-Zeitz (1672-1672), in: Museumsverbund „Die fünf Ungleichen e. V.“/ Museum Schloss Moritzburg Zeitz (Hrsg.): Barocke Fürstenresidenzen an Saale, Unstrut und Elster, Petersberg 2007, S. 326 f.
Negwer, Mirko: Eine Begegnung mit dem Zeitzer Hofmaler Christian Schäffer (1638-1693), in: Museum Schloss Moritzburg Zeitz/ Deye, Detlef/ Rittig, Roland (Hrsg.): Barocke Residenzkultur in Zeitz, Zeitz 2008, S. 61 – 70.