Die Passion im Kleinen
„Jahreskrippe“ aus Bayern
Daten zum Glanzstück des Monats April
Jahreskrippe (Passionskrippe)
Oberpfalz, Süddeutschland, ca. 1767
Material/ Technik:
Nadelholz, Holzstaub und Leim, Karton, Kreidegrund mit div. Ölfarben, Halbölfirnis/
abgeschliffen, ergänzt, grundiert, lackiert und lasiert
Provenienz: Altbestand
Inv. Nr.: V/H-4852
Über dieses Glanzstück
Krippe – den Begriff verbinden viele Menschen eng mit dem Weihnachtsfest. Ob in der Kirche oder im heimischen Wohnzimmer: Neben Ochs und Esel liegt das Jesuskind in der Futterkrippe, umgeben von Maria und Josef, den vom Felde herbeigeeilten Hirten und den drei „Heiligen“ aus dem Morgenland, welche die gut bäuerliche Szene mit ihrer „Exotik“ durchbrechen. So stellen sich viele die allseits bekannte „Weihnachtskrippe“ vor. Deshalb wird diese auch spätestens an Mariä Lichtmess wieder gut verpackt für das nächste Jahr. Doch Krippen können nicht nur solche, sehr idyllisch inszenierten, biblischen Geschichten zeigen. Ein Beispiel dafür ist die hier vorgestellte „Jahreskrippe aus Bayern“.
Die im Jahr 1767 in Süddeutschland gefertigte Krippe kam ursprünglich mit dem umsiedelnden bayrischen Bäckergesellen Goller nach Zeitz. Goller brachte die Krippe aus dem elterlichen Haus aus dem Ort Weiden (Oberpfalz) mit in die Kalkstraße Nummer 40, wo sie seitdem ein beliebtes Schauobjekt zur Weihnachtszeit war. In den 1860er und 1870er Jahren konnte die Krippe bspw. in der „Hübner’schen“ bzw. Peuckert`schen“ Bäckerei jedes Jahr zu den Weihnachtsfesttagen – für einen Pfennig Eintrittsgeld – bestaunt werden. Festlich geschmückt mit zusätzlichen, brennenden Kerzen wurde die Krippe so für Groß und Klein zu einem jährlichen Höhepunkt. Um das Jahr 1932 kam die Krippe mit der Gründung des „Geschichts- und Altertumsvereins für Zeitz und Umgegend“ in das städtische Museum. Dort wurde sie als ein Kernstück der „Held’schen Sammlung“ – eine Sammlung des Zeitzer Messerschmieds, Graveur und Medailleurs Carl Friedrich Hermann Held (1836-1914) aufgenommen. Held schuf nicht nur zahlreiche Münzen, Medaillen und Vereinsabzeichen, sondern u.a. auch das heutige Siegel der Zeitzer Oberbürgermeister. Seine Sammlung von Objekten aus dem Museum wurde bis in die 1970er Jahre im heutigen „Herzoginnenzimmer“ ausgestellt. So blieb die Krippe weiterhin für die Öffentlichkeit zugänglich.
Insgesamt umfasst die Krippe 63 Figuren, nebst einem nachträglich neu gestaltetem Ochsen, einem Esel, zwei Hunden (von welchen einer original erhalten war) und acht überarbeiteten Schafen. Über die Jahre wurde sie mehrfach repariert, ergänzt und überarbeitet. Bereits im Jahr 1863 wurden erste Reparaturen und Änderungen an der Krippe getätigt. Jedoch verschlechterte sich ihr Zustand über die Jahrzehnte. Beispielsweise wurden die Figuren aufgrund von Holzwurmfraß zunehmend poröser oder gingen gar verloren. Zudem sind die zwei Gebäude im Vordergrund und die Figuren immer wieder neu positioniert worden. Eine großflächige Überarbeitung fand im Jahr 1997 statt: Die Grundplatte wurde ausgebessert und mit einem weiß-chromoxidgrünem Kreideanstrich versehen, Details bzw. einzelne Körperteile der Figuren und der Gebäude wurden ergänzt und mit einer neuen, sehr dunklen Farbschicht versehen. Die letzte und umfassendste Reparatur der Krippe fand in den Jahren 2001 bis 2002 statt. Da anfangs unklar war, welche Farbigkeit die Gebäude und Figuren ursprünglich hatten, wurde die Krippe zunächst gereinigt, die alten Farbschichten abgekratzt bzw. abgeschliffen und das rohe Holz neu behandelt und grundiert. Unter der alten Farbschicht waren vereinzelt Partien der originalen Farbgebung erkennbar. Diese bildeten die Vorlage für den neuen, lebhafteren und detailreicheren Farbauftrag – sowie er nun zu sehen ist. Zudem sind einige Körperteile der Figuren sowie die Reste des papierenen Blattwerks passend nach modelliert worden. Seitdem wird die Krippe in der Dauerausstellung „Das Kirchenjahr I Die Feste im Jahreskreis“ ausgestellt.
Ursprünglich wurden Krippen als ein Medium benutzt, um die biblische Botschaft eindrucksvoll zu vermitteln. Vornehmlich sind sie in den katholischen Kirchen des bayrischen Raums verbreitet. Dort haben sie nicht nur als klassische „Weihnachtskrippe“ im Winter Hochsaison. Krippen bzw. „Jahreskrippen“ begleiten, ihrem Namen nach, Gläubige durch die christlichen Feste. Entlang der Sonntags-Evangelien stellen sie wechselnd immer andere Geschichten aus der Bibel in den Mittelpunkt. Abgestimmt auf den Festkreis des Jahres werden die biblischen Themen ausgetauscht und die Krippen entsprechend neu bestückt. Die ursprüngliche Weihnachtskrippe entwickelte sich ab dem 18. Jahrhundert weiter zur Fastenkrippe, die das Geschehen zwischen Palmsonntag und der Osternacht in den Mittelpunkt stellt. Krippen, die das Leiden und die Auferstehung Christi zeigen, werden als „Passionskrippen“ bezeichnet. Mit diesen Darstellungen verlässt die Krippe jedoch die heimelige Idylle der Weihnacht.
Ein Beispiel dieser Kategorie ist die vorliegende Krippe. Die auf der Krippe dargestellten Szenen, beschränken sich auf ausgewählte Geschichten aus dem Neuen Testament. Konkret bildet die „Passionsgeschichte Jesu“ das Kernstück unserer Jahreskrippe. Unter der „Passion Jesu“ bezeichnet man im Christentum den Leidensweg Jesu Christi, das heißt sein Leben und Sterben einschließlich der Kreuzigung. Jedoch sind nicht alle literarisch niedergeschriebenen Etappen der Passion Jesu figürlich auf der Krippe festgehalten. Dargestellt sind die Szenen: Christus am Ölberg (mit den drei schlafenden Jüngern und Jesus betend im Garten Getsemani), der Verrat Jesu durch seinen Jünger Judas, die angedeutete Gefangennahme Jesu von zwei Kriegsknechten und einem Söldnern, Christus vor Pontius Pilatus, die Kreuzigungsszene Jesu (mit den beiden Schächern und Johannes und Maria unter dem Kreuz), dann die Kreuzabnahme (mit der Darstellung der Leiden und Wunden Christi und der „Mater Dolorosa“, der trauernden Mutter Jesu) sowie seine Auferstehung (mit den drei Frauen an seinem Grab) sind, wenn auch nicht in chronologischer Abfolge, abgebildet. Kurz um – sie zeigt die wichtigsten Abschnitte aus dem Leben Jesu Christi: Die Verkündigung mit der Geburt, seinen Leidesweg mit der Kreuzigung und die Auferstehung. Lediglich die Verkündigung an Maria, die Mutter Jesu, durch den Engel Gabriel sowie die Geburt Jesu (mit der Verkündigung an die drei Hirten und die drei Männer aus dem Morgenland), bilden die Ausnahme.
Bei der vorliegenden Krippe steht die „Passionsgeschichte“ – also die Geschehnisse rund um Ostern, im Vordergrund. Ostern ist wahrscheinlich das höchste Fest im christlichen Glaubenskreis. Der gekreuzigte Jesus Christus hat den Tod besiegt und ist auferstanden aus dem Reich der Toten. Doch Jesus Auferstehung ist untrennbar mit seinem schmerzvollen Leidensweg, dem via dolorosa verbunden. Das ist neben der Weihnachtskrippe ein wichtiger Schwerpunkt in der Krippentradition: Kreuz und Krippe gehören zusammen, denn gerade weil das Jesuskind aus der Krippe auf seinem Lebensweg dem Kreuz auf Golgatha entgegen geht, wird Jesus zum Christus, zum Erlöser und Heilsbringer, zum „wahren König der Welt“. Er ist die Auferstehung und das Leben. Und vielleicht ist sie deshalb so wichtig, die Krippe jenseits des Weihnachtsgeschehens: Mit ihren eindringlichen Bildern erinnert sie daran, dass uns Jesus auch in schweren Zeiten nahe ist und dass, nach einer noch so dunklen Nacht wieder ein neuer Morgen beginnt.
Text: Nadine Neumann
Fotos: Nadine Neumann / Ulrike Trummer © MSMZ