EXLIBRIS IM WERK VON JOHANNES LEBEK
VIER VON VIERZIG – KLEIN UND FEIN
Glanzstück des Monats September
„EXLIBRIS“ – das lateinische Wort heißt auf Deutsch „aus den Büchern“. Exlibris sind kleine Bucheignerzeichen, die auf die inneren Buchdeckel geklebt, den Besitzer eines Buches angeben. Mit dem Buchdruck und der Entstehung von privaten Bibliotheken in der Renaissance kamen sie auf. Zuerst als handschriftliche Einträge und dann als kleinformatige Druckgrafiken. Bibliotheken, adlige oder reiche Auftraggeber ließen sich Exlibris fertigen. Im 16. Jahrhundert wurden dafür vielfach Wappendarstellungen verwendet.
Zum Werk von Johannes Lebek gehören insgesamt 40 Exlibris. Sie entstanden in all seinen Schaffensjahrzehnten, das erste 1929, sein letztes 1981. In Lebeks Bibliothek finden wir einen guten Stapel von Veröffentlichungen der DEUTSCHEN EXLIBRIS GESELLSCHAFT und Kataloge zu EXLIBRIS-Ausstellungen in Deutschland, aber auch europaweit, in mehreren ist er selbst mit Arbeiten oder einem Eintrag vertreten, auch einige seiner Schüler oder Kollegen sind verzeichnet.
Als Glanzstück stelle ich hier VIER dieser VIERZIG als Holzstich oder Metallschnitt gefertigten „Bucheignerzeichen“ aus Lebeks Hand vor. Sie gehören zur Lebek-Sammlung des Museums oder zum Nachlass Lebeks, dem Depositum „Elisabeth und Hubert Wegner“. Das größte hat die Abmessungen 87 x 63 Millimeter. Zu diesen vier Exlibris sind auch die Druckformen noch vorhanden.
Für seine Tochter Elisabeth und seinen Schwiegersohn schneidet Lebek EXLIBRIS, aber auch später für die Enkel Beate und Christian Wegner, außerdem für Freunde und Bekannte, aber auch für EXLIBRIS-SAMMLER oder andere EXLIBRIS-Schneider.
Ein mich besonders beindruckendes EXLIBRIS fertigt Lebek 1937 für seinen Schwiegervater Alfred Piel in der Technik des Holzstichs. Er war Gärtner und ein Holzschneider, wahrscheinlich nicht künstlerisch tätig sondern als Xylograph in einer Druckerei. Sein Name erscheint in einer Frakturschrift, darunter locker auf die gesamte Fläche gestreut kleine Blumen und mittig sein Werkzeug: ein Holzschnittmesser. Im Nachlass sind von diesem EXLIBRIS zwei Varianten vorhanden. Der Hintergrund oder Untergrund des ersten Versuchs ist wie ein Stoff oder eine Tapete gemustert und mit feinsten Linien schraffiert. Der Druckstock der zweiten Variante ist im Nachlass noch vorhanden und offenbart Lebeks Meisterschaft im Holzstich. In das Hirnholz des sehr harten Buchsbaums schneidet er mit Sticheln das feingliedrige Motiv. Eine für uns heute unglaubliche Präzisionsarbeit ist ihm hier gelungen. Seine künstlerische Gestaltung führt er mit versierter Hand aus, das Auge dabei sicherlich von einer Lupe unterstützt. So klein die Arbeit auch ist, so bescheiden und leise ihr Motiv, sie hat sicher nicht nur meine große Bewunderung. Es ist anzunehmen, dass Lebek die Schraffur, die im ersten Druck noch erscheint, später weggeschnitten hat. Im Vergleich bleiben aber da noch Fragen offen. Verworfen hat er die erste Variante sicher für mehr Klarheit und unkomplizierteres vielfaches Drucken, nur die zweite, nun gültige, wurde in das Werkverzeichnis aufgenommen.
Im gleichen Jahr schneidet Lebek auch ein Exlibris für seinen Freund Hans Günther (1906-1976), der 10 Jahre später, nämlich in den Jahren 1947 bis 1958 als erster Leiter des Zeitzer Museums im Schloss Moritzburg tätig ist. Unter seiner Leitung entstand z.B. auch das Grafische Kabinett, mit historischen Druckpressen, die heute in der Druckwerkstatt des Lebek-Zentrums stehen und genutzt werden. Auch Lebek leistete damals einen Beitrag zu dessen Verwirklichung. Beginnt die Bekanntschaft oder Freundschaft von Günther und Lebek in diesem Jahr 1937 oder schon davor? Als Motiv des kleinen Holzstichs wählt Lebek einen Mann, an einem Tisch schreibend. Er sitzt dabei im Freien unter dem Sonnenschutz einer kleinen Bude, verrät der erste Blick. Genauer betrachtet ist die Bude aber ein aufgestelltes Buch und das Vordach ein aufgeklappter Buchdeckel. Mit leisem Witz ist hier das Verhältnis des Buchbesitzers Hans Günther zum Lesen, Studieren und Schreiben dargestellt.
Auch im Exlibris für Walter Sprenger, ist ein aufrecht gestelltes geschlossenes, ja – verschlossenes Buch das Bildmotiv. Ein junger Kerl, der selbst nicht größer als das Buch ist, bemüht sich nach Kräften, es aufzuschlagen. Der Druckstock aus Buchsbaum hat die Maße 70 x 61 Millimeter. Die Gestaltung ist klar, einfach und genauestens durchdacht. Das „Gewicht“ der Schrift und der Vignette auf den schwarzen unteren Balken hin austariert und in ein spannendes Verhältnis gesetzt. Der Kontrast zwischen Druckerschwärze und Papierweiß ist hier aufs Beste genutzt.
Das als Metallschnitt 1968 ausgeführte EXLIBRIS für Werner Schulz-Tauchlitz (1901-1976) mutet an wie eine Märchenillustration. Ich sehe einen „Wicht“ mit mittelalterlichem Kapuzenrock und Beinkleid, in Pantoffeln große Schritte nehmend. Das Gesicht, mit Spitzbart voran, zeigt sich wie die ganze Figur im Profil. Es scheint etwas neblig zu sein und der Boden vielleicht moosig und weich. Das Bildchen wirkt „sagenumwoben“ und ist nicht nur gerahmt von dem Schriftzug „EXLIBRIS WERNER SCHULZ-T“, sondern auch von „heimlichen“, oft nur aus dem Untergrund auftauchenden und doch verräterischen Zeichen: ein Knochen, ein Schwert, ein steinernes Beil, ein Buch, eine Schaufel und das Wappen mit dem Schwert von Paulus und dem Schlüssel von Petrus… Mit Werner Schulz, dem Heimatforscher und Zeitzer Bodendenkmalpfleger des Kreises Zeitz aus Tauchlitz ist Lebek befreundet. Beide veröffentlichen z. B. in der Zeitschrift „Zeitzer Heimat“ in den 50er-Jahren: Lebek seine Holzschnitte und Illustrationen zu Artikeln und Tauchlitz Aufsätze und Abhandlungen z. B. über Wanderwege im Zeitzer Forst oder über den mittelalterlichen Burgenbau, Gräberfelder oder die Siedlungsgeschichte unserer Gegend. Dieser kleine Metallschnitt passt sicher haargenau zu Tauchlitz und seiner selbstgewählten Lebensaufgabe. Einige Drucke im Nachlass sind sepiafarben, zum Motiv sehr passend, die schwarzen Drucke besitzen aber eine bessere Druckqualität.
Text, Scans und Fotos: Ulrike Trummer / © MSMZ
Ab dem 10. September 2023 werden fast alle EXLIBRIS von Johannes Lebek in einer Sonderschau des Lebek-Zentrums ausgestellt. Sie gehörten zu den von seinem Neffen Peter Lebek am meisten bewunderten Arbeiten seines Onkels. Peter Lebek, viele Jahre lang Domorganist im Dom St. Peter und Paul, hat von 2004 bis 2013 die jährlichen Ausstellungseröffnungen im Lebek-Zentrum musikalisch auf dem Klavier begleitet. Er hatte sich damals gewünscht, dass auch diese kleinen Grafiken hier bewundert werden können. Auch in Gedenken an ihn werden sie nun bis zum 4. August 2024 im Torhaus präsentiert.
Von Anfang des Jahres bis Juli 2023 entstanden in unserer Druckwerkstatt auch 62 ZEITZER-KINDER-EXLIBRIS. Schüler der GS Rasberg und der GS Elstervorstadt haben sie in unserer Druckwerkstatt entworfen, geschnitten und gedruckt. Wir fertigten auch kleine, ledergebundene und handgedruckte EXLIBRIS-Sammelbändchen in einer Auflage vom 30 Stück an. Auch diese Kinderarbeiten sind in der neu gestalteten Ausstellung zu sehen.