„Der Sonnengesang“
Franz von Assisi
Buchgestaltung und Illustrationen von Johannes Lebek
Daten zum Glanzstück des Monats September
Buch
Franz von Assisi
„Der Sonnengesang“
(Übersetzer nicht bekannt)
Gestaltung und Illustrationen von Johannes Lebek
Handpressendruck 1946, Zeitz
13 ganzseitige Holzschnitte, 12 Holzschnitte mit geschnittener Schrift, 1 Titelholzschnitt
Blockbuch, Auflage 20 Exemplare, Exemplar ohne Nr., mit besonderem Einband naturfarbener Leinenrücken, Einband Strohseide auf Pappe, vergoldete Schrift (Titel)
Inv. Nr. Grafiksammlung des Museums: VI B / 52 – 1012
Maße: 248 x 195 x 10 cm
Über dieses Glanzstück
Als Glanzstück des Monats habe ich dieses Mal ein Buch ausgewählt. Sein Titel glänzt auf dem Bucheinband in Gold. „Der Sonnengesang“ ist in einer eingeprägten Frakturschrift zu lesen. Illustriert von Johannes Lebek, von ihm auch handgedruckt und handgebunden. Eines von wenigen heute noch existierenden 20 Exemplaren. Es ist als Blockbuch entstanden, Schrift und Bild sind vom Künstler in Holz geschnitten, wie praktiziert in den Zeiten der Anfänge der Druckkunst zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Die Seiten sind mit der Falz nach außen gebunden, damit die „Schmutzseite“, die Rückseite des Handdruckes, unsichtbar bleibt, da sie oftmals auch schwarze Stellen von Druckerschwärze aufweist. Das langfaserige raue weiche Papier liegt nun doppelt und lässt sich dadurch auch leichter fassen und blättern. Das Buch wird am 21.09.1951 für die noch junge Grafiksammlung des Museums angekauft. Leiter des Museums ist zu dieser Zeit Hans Günther. In seiner Zeit beginnt die Sammlung von Grafik, es wird auch ein Grafisches Kabinett eingerichtet, sogar mit Druckpressen, von denen einige jetzt wieder im Lebek-Zentrum ausgestellt und genutzt werden.
In dem kleinen Büchlein „Traumland“, welches Lebek während seiner Zeit als Kriegsgefangener im Jahr 1945 gefertigt und geschrieben hat, finden wir eine kleine aquarellierte Zeichnung mit demselben Motiv. Hier hält er den schönen Anblick der Landschaft im Elstertal aus seinem Gedächtnis noch einmal fest, er beschreibt dankbar die Erinnerung an einen Spaziergang mit guten Freunden an einem Sommertag. Diese Dankbarkeit steckt auch im oben beschriebenen Mittelteil des ersten Blattes des Sonnengesangs von 1943: für die Ernte der Früchte der Bäume, in der Aufzählung der grasenden Kühe, im Festhalten des beeindruckenden Sonnenlichtes und des stillen Laufs der Zeit. Friedlichkeit kann man spüren.
Das Büchlein hat er seiner Frau Aenne gewidmet. Es hat einen kleinen Schuber, der bezogen ist mit blauem selbstgefertigten Kleisterpapier. Auch für den Einband verwendet er ein mehrfarbig gemustertes Kleisterpapier, für den Buchrücken rostrot eingefärbtes Leinen. Das Erinnerungsbüchlein ist ein Kleinod, obwohl ihm nur einfachste Mittel im Lager in Frankreich für seine Arbeit zur Verfügung standen. Mitten im Krieg hält er sich fest am Guten, das er mit seiner Frau, in seiner kleinen Familie und seinem Freundeskreis in Zeitz erlebt hat. Seine Aufgabe als Künstler beschrieb er etwa 30 Jahre später mit den Worten:
„Ich sehe so viel Schönes überall, wohl wissend, dass es ebenso viel Schlimmes in der Welt gibt, aber ich gestalte das Bessere, weil darin vielleicht mancher etwas Tröstliches findet, das ihn mit der Misere des Lebens aussöhnen könnte… Ich möchte zeigen, dass das Schöne immer da ist, allem Menschenwerk zum Trotz…“
Die Nützlichkeit des Feuers zählt er auf einer ganzen Seite auf: mit rauchenden Schornsteinen an Häusern und Fabriken, Traktor und Lokomotive, sowie in einer Hufschmiede im Winter. Links unter dem Text: die gute Stube mit dem Etagenofen, dessen Feuer seine Geschwister, ihn und auch den Vater beim Lesen an einem kalten Abend wärmt. Eine frühe Bleistiftstudie dieses Ofens hat sich erhalten und befindet sich im Nachlass Lebeks. Auch im Buch „Häuser der Kindheit“ finden wir die gleiche Szene dargestellt, die sich Johannes Lebek tief eingeprägt hat.
Text und Abbildungen: Ulrike Trummer / © MSMZ
Franz von Assisi (1181–1226) verfasste sein „Sonnenlied“ etwa um 1225 in frühitalienischer, umbrischer Sprache. Es gehört zu den ersten Dokumenten der italienischen Literaturgeschichte. Ein Loblied für die Schöpfung Gottes: die Sonne, den Mond, die Sterne, das Wasser, die Erde, das Feuer, die Luft, alle Lebewesen, sowie den Tod. An dieser Stelle möchte ich nicht näher auf den noch heute wohl bekannten und schon kurz nach seinem Tode von Papst Gregor IX. heiliggesprochenen Franziskus eingehen. Die Verse haben ihre Aktualität nie verloren, der Sonnengesang wurde vielfach übersetzt und nachgedichtet.
Seine eigene tiefe Religiosität treibt Lebek dazu, sich mehrfach der Illustration des Sonnengesanges zu widmen. Für seine erste Illustration im Jahr 1943 entstehen drei Blätter mit neun Holzschnitten und handgeschnittener Schrift. Auf großem Format ordnet er den Text (Übersetzer unbekannt) über und unter jeweils drei Holzschnitte, die ein Triptychon bilden. Sie sind kaum bekannt und selten. Aber wie auch später zeigen diese Holzschnitte Motive aus Lebeks Welt, Dinge, die er selbst gesehen hat, die seiner Beobachtung und Empfindung entspringen. Er stellt nicht die Welt von Assisi im frühen Mittelalter in Italien dar. Lebek zeigt die Gültigkeit des alten Gesanges für seine Gegenwart, seine eigene Lebenswelt in und um Zeitz.
Im Mittelteil des ersten Blattes sehen wir eine Obstwiese. Apfelpflücker stehen auf Leitern. Mittig kann man zwischen den Bäumen den Hang hinunter sehen auf ein fließendes Gewässer, an dessen Ufer Kühe weiden. Weiter im Hintergrund wird ein Getreidefeld abgeerntet. Damals machte man noch Garben oder „Strohpuppen“, die man mit Pferdefuhrwerk vom Feld holte. Durch den wolkigen Himmel strahlt die Sonne. In allen Jahreszeiten hat Lebek dieses Stück Erde sehen können. Vom Rosenweg, seinem Haus und seiner Werkstatt in Zeitz, sind es nur wenige Minuten Fußweg in Richtung Großosida. Da liegt die Wiese rechter Hand neben der Straße. Der Mühlgraben fließt hier im Tal durch Großosida in Richtung Zeitz.
Wohl wissend, dass Sonne, Feuer, Wasser und Wind nicht nur Gutes bewirken, gestaltet er gemäß seines Anliegens einige idyllische, anheimelnde Szenen, die ihn sicher zutiefst berührt haben: Nach einer Darstellung des Franziskus in Mönchskutte mit ausgebreiteten Armen durch eine hochgewachsen blühende Wiese laufend auf einer ganzen Seite folgt noch einmal ein ganzseitiger Holzschnitt. Er zeigt wahrscheinlich Lebek selbst. Jedenfalls einen wohl jungen Mann, der im Gras liegend das Abendlicht oder ein Gewitterdunkel über einer sich unter ihm ausbreitenden Tallandschaft betrachtet. Höchstwahrscheinlich eine Aussicht auf das Elstertal. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie ihn das Farbenspiel am Himmel und auf den Hügeln, das Hinübergleiten eines faszinierenden Anblicks in den nächsten zum Sitzen und Schauen angehalten hat. Vielleicht erhielt er hier seine Inspiration für das Buch zu Assisis Text.
Die Geschöpfe Gottes bekommen vier Holzschnitte im Buch. Die kleinen, bescheidenen wie Fisch und Frosch aber auch die, die der Mensch seit Jahrtausenden nutzt, wie Pferd, Kuh und Huhn. Die Bauernhofszene gleicht den Holzschnitten, die Lebek in Erinnerung an den Hof seines Onkels in Schlesien (Folge „Bilder aus Schlesien“) 1941 schneidet, auf dem er als Kind viel Zeit verbracht hat. Hiesige Waldtiere und der Dschungel mit einem Elefanten sind auf einer Doppelseite ohne Text und Schrift nebeneinander gestellt.
Schnatternde Gänse, die von ihrer Hirtin zum Baden ans Flussufer getrieben wurden und eine Wassermühle, die ihre Arbeit verrichtet, preisen das Wasser. Ebenso das Plätschern eines Baches, in dem sich ein Mädchen spiegelt, welches sein zitterndes Abbild im Wasser betrachtet, weil es einen schönen Blumenkranz auf dem Kopf trägt.
Fast alle Seiten des Buches kann man ab dem 11. September 2022 im Torhaus sehen. „Der Sonnengesang“ wird derzeit im Kunst- und Museumspädagogischen Zentrum „Johannes Lebek“ präsentiert – nicht nur dieses Buch, sondern auch andere teils geänderte Buchausgaben und zwei der drei Lebek-Illustrationen von 1943 zu diesem Thema.
Auch 58 „neueste“ Kinderholzschnitte (2022) und handgedruckte Sonnengesang-Bücher mit den Kinderillustrationen werden jetzt im Lebek-Zentrum gezeigt. Ich danke an dieser Stelle Roland Rittig für die Einführung der Schüler zum Text des Sonnengesangs und den begleitenden Lehrern und pädagogischen Mitarbeitern für die wiederholte gute Zusammenarbeit. Über Wochen sind die Holzschnitte in der Druckwerkstatt zusammen mit den 4. Klassen der Grundschulen Rasberg und Elstervorstadt entstanden. Einige sehr gute, sogar erstaunliche Arbeiten neben vielen guten. Die Kinder haben sich angestrengt und mich sehr erfreut. Die meisten Holzschnittentwürfe fußten auf Zeichnungen vor der Natur. Denn wie Lebek war unser wichtigster Ausgangspunkt die Beobachtung, das Zeichnen in Rasberg im Tal des Kuhndorfbaches und der Frühlingsblumen aus dem Schlosspark. Die Kinder waren fleißig und zu Recht stolz.