Die Wunderkammer des Barock
Präparat eines Leistenkrokodils
Daten zum Glanzstück des Monats Februar
Präparat eines Leistenkrokodils
Länge | ca. 3,50 m |
Breite | ca. 1 m |
Gewicht | ca. 60 kg |
Ersterfassung | 5. Juni 1971 |
Provenienz | Ankauf |
Über dieses Glanzstück
Am 5. Juni 1971 erstand das Museum im Versteigerungshaus Leipzig für 2.500,00 Mark das Präparat eines Leistenkrokodils. Herstellungsort und -zeit dieses Präparates sind uns nicht bekannt.
Doch wozu benötigt ein frühbarockes Schloss mit einer Stadtgeschichtlichen, Barocken und Kinderwagenausstellung eine Krokodilhaut? Das Museum Schloss Moritzburg Zeitz verfügt ebenfalls über eine botanische und zoologische Sammlung. Zur Vervollständigung eben dieser wurde das Präparat erworben.
Steckbrief Leistenkrokodil
Das Leistenkrokodil (lat. Crocodylus porosus), auch Salzwasserkrokodil genannt, ist das größte heute lebende Krokodil, gefolgt vom Nilkrokodil. Es ist eines von 25 Krokodilarten und gehört zur Art der „Echten Krokodile“. Als eines von zwei Arten lebt es sowohl im Salz- als auch im Süßwasser, fühlt sich aber auch in Brackwasser, Flüssen und Sümpfen wohl. Den Namen Leistenkrokodil verdankt es den zwei von seinen Augen aus erhöht liegenden, knochigen Graten (Leisten), die zur Schnauze laufen. Leistenkrokodile gehören, wie alle heute lebenden Krokodilarten, in die Unterklasse der Großsaurier, zu der auch die ausgestorbenen Dinosaurier zählten. Das Leistenkrokodil kann somit als „lebendes Fossil“ bezeichnet werden.
Größe | 3,5 bis 6,5 m |
Geschwindigkeit | bis 17 km/h (an Land), 32 km/h (im Wasser) |
Gewicht | 400 kg bis über 1.000 kg |
Lebensdauer | 70-100 Jahre |
Nahrung | Säugetiere, Fische, Vögel |
Lebensraum | Afrika, Indien, Südostasien, Australien, Südamerika |
Was ist eine Dermoplastik?
Die Dermoplastik (griechisch derma = Haut, plastein = bilden) unseres Krokodils, erfolgte mittels Taxidermie, welche ein Teilgebiet der Tierpräparation darstellt. Die Haut wird durch Gerbung haltbar gemacht. Hier wird zwischen der pflanzlichen Gerberei und der Mineralgerbung unterschieden. Welche Gerbstoffe und welche Form der Gerbung genutzt wird ist immer vom ausgehenden Leder abhängig. Neben den mineralischen und pflanzlichen Gerbstoffen kommen auch synthetisch hergestellte Gerbstoffe, Aldehyde und Fettgerbstoffe zur Verwendung.
Im Anschluss erfolgt meistens eine Anbringung der Haut auf einen korrekt angefertigten Grundkörper. Um diesen herstellen zu können, bedarf es umfangreicher Kenntnisse in Anatomie, Ethologie und Statik. Grundsätzlich wird ähnlich wie in der Bildhauerei der Grundkörper durch Ergänzung eines Materials aufgebaut (z.B. Ton) oder aus einem Block herausgearbeitet (z.B. PU-Block). In einem weiteren Schritt kann dieser Grundkörper dann über eine Negativform in einem leichteren Material nochmals abgegossen werden. Der Grundkörper darf nicht zu hart sein, da die aufgebrachte Haut organischen Ursprungs ist und auf klimatische Veränderungen durch Größenveränderung reagiert. Ist der Grundkörper zu hart (z.B. aus Gips), reißt die gegerbte Haut. Solche Schäden sind nur schwer zu restaurieren. Daher sollten Dermoplastiken in klimatisierten Räumen untergebracht werden.
Im Allgemeinen verläuft die Ganzkörperpräparation bei jedem Tier ähnlich. Zunächst wird die Haut auf der Unterseite des Tieres mit einem Schnitt eröffnet und abgezogen. Anschließend werden sämtliche Fett- und Muskelreste von der Innenseite der Haut entfernt und der Balg (die abgezogene Haut) gegerbt. Danach beginnt die eigentliche Präparation. Es besteht sowohl die Möglichkeit, dem Präparat einen angepassten im Handel erhältlichen künstlichen Schädel zu geben, als auch den Originalschädel ebenfalls zu präparieren und diesen dann in das Präparat einzusetzen. Auf den fertigen Kunstkörper werden nun der Balg aufgezogen, die Gliedmaßen bzw. Flügel mit einem Draht fixiert, dem natürlichen Aussehen des Tieres entsprechende Glas- oder Kunststoffaugen mit Hilfe von Ton oder Plastilin in den Schädel eingesetzt und der Balg anschließend vernäht.
Das Leistenkrokodil hat eine flach gedrückte Gestalt mit kurzen, gedrungenen Extremitäten, die spitze Krallen tragen und Schwimmhäute zwischen den Zehen besitzen. Auch bei unserem Präparat sind diese gut erkennbar. Der Körper endet in einem langen und kräftigen Schwanz. Dieser ist seitlich abgeflacht und dient als Ruderschwanz zur Fortbewegung im Wasser. Der massige Kopf mit der langen Schnauze trägt genau 64 bis 68 kegelförmige Zähne. Wie bei allen Vertretern der Krokodil-Gattung ist der vierte Zahn im Unterkiefer stark vergrößert und passt genau in eine Furche an der Außenseite des Oberkiefers findet – bei unserem Präparat sind ist der Zahn der rechten Kieferseite verloren gegangen – so ist er auch bei geschlossenem Maul gut sichtbar. Die Zahnreihen von Ober- und Unterkiefer liegen in einer Linie, so dass alle anderen Zähne zwischen einander greifen, sodass jeder Zahn in einer Lücke im gegenüber liegenden Kiefer Platz findet.
Die Haut besteht aus dicken, rauen Hornschuppen mit darunter liegenden Knochenplatten. Deutlich erkennbar, auch bei unserem Präparat, ist die fehlende Panzerung direkt hinter dem Kopf.
Die Grundfärbung der Haut ist dunkel und reicht von grün bis braun. Bei unserem Präparat kann man die dunkelbraune Färbung im rechten Licht sehr gut erkennen. Einige Stellen auf dem Rücken können aufgehellt oder grau sein. Die Flanken weisen dunkle Streifen auf, der Bauch ist creme-gelb bis weiß gefärbt. Durch die Gerbung der Haut ist bei dem Präparat diese helle Färbung nur noch zu erahnen.
Das Krokodil ist kein Vollpräparat, sondern nur die Haut. Daher sind von den Gliedmaßen nur die Oberseiten erhalten. Auch wurde bei der Präparation kein künstliches Auge eingesetzt oder der Rachen entsprechend aufgearbeitet. Es wurde kein Schädel eingesetzt. Über den gesamten Unterleib, bis hin zur Schwanzspitze, ist eine Naht zu erkennen, welche die Schnittränder zusammenhält. Besonders gut ist diese im Schlund unseres Reptils zu erkennen.
Kurz vor den Nasenlöchern und knapp hinter der Stirnplatte sind auffallende Löcher in der Haut. Diese sind wahrscheinlich zum Beispiel durch eine Aufhängung des Präparates in der Nutzung vor dem Erwerb durch das Museum entstanden. Da am restlichen Leib des Leistenkrokodils keine weiteren „Bohrungen“ offensichtlich sind, könnte man die drei Löcher so erklären, dass der Rumpf umfassend und der Kopf durch die Löcher an einem Seil befestigt wurde, wodurch das Maul des Räubers weit geöffnet war.
Die Wunderkammer als Heimat
Präparate, wie dieses Krokodil, werden in der Naturkunde durch entsprechende Verfahren zu Anschauungs-, Lehr-, Demonstrations- oder Forschungszwecken aufbereitet. Sie waren einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich und für die Allgemeinheit nicht greifbar.
Das Zeitalter des Barock zeichnet sich durch die erste in einem großen Zusammenhang befindliche Betrachtung aller Lebens- und Wissensgebiete aus. Man stellte Kunst und Naturalien in einem Raum gegenüber und spiegelte so die Errungenschaften der großen weiten Welt wieder. Insbesondere Präparate von exotischen Tieren aus fernen Ländern waren sehr beliebt. So könnte auch unser Krokodil einem solchen Zweck gedient haben. Üblicherweise wurden in diesen Kunst- und Wunderkammern oder auch Naturalienkabinetten die unterschiedlichsten Objekte aus verschiedensten Bereichen der Kunst und des Lebens, quasi die ganze Welt, dicht gedrängt auf engstem Raum präsentiert. In Schränken, auf Regalen und direkt an Wand und auch Decke befestigt, präsentierte sich die Vielfalt des Lebens.
Das Krokodil, durfte in keiner dieser Wunderkammern fehlen. Oftmals mit Stroh, wie zur damaligen Zeit üblich, ausgestopft, hing es von der Decke und bot sich den Besucher*innen in seiner ganzen Pracht. Rings umher tummeln sich Muscheln, ausgestopfte Fische, Mineralien, in Formaldehyd eingelegte Präparate und vielerlei andere Wunderlichkeiten.
Text und Fotos : Stefanie Karg, © MSMZ